Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
die Verwandlung verhinderten. Immer mehr von ihnen krallten sich in ihren Leib. Die schwarze Amphitere an der Wand zischte furchterfüllt auf und erhob sich in die Lüfte, doch sie zerplatzte nun ebenfalls zu einem Kakerlakenschwarm, der wirbelnd auf Morgoya zutrieb und sich mit ihrem Körper vereinte.
»Neeeiiiinnnnn!« Die Galerie glühte in schwarz-rotem Licht und ein tiefer, bodenloser Schacht enthüllte sich unter Morgoyas Füßen. »Lasst miiiich!«
Mit einem Ruck wurde Morgoya in die Schattenpforte gezogen. Ihre Schreie verhallten, die schwarze Flammenbrunst fiel in sich zusammen und dort, wo sich eben noch ein Tor ins Schattenreich befunden hatte, schimmerte wieder blanker Fels.
Jäh löste sich der magische Klammergriff und Kai krachte auf den Boden. Ausgelaugt richtete er seinen Oberkörper auf und schleppte sich zu Olitrax, dessen Schuppenleib seltsam blass wirkte.
»Olitrax«, krächzte er. Der kleine Drache atmete nur noch schwach und Kais Finger fanden die Bissspuren der Amphitere. Ihr Gift wütete in Olitrax' Leib.
Über Kai rumpelte es. Noch mehr Erdreich rieselte von weit oben auf die Galerie herab, die nun ebenfalls knackte und erste Risse bekam. Der blaue Spiralnebel sank mit Morgoyas Tod wieder in sich zusammen und das kristalline Ungetüm schraubte sich zurück in den Schattensee. Immerzu fiel weiteres Gestein von oben herab. Bei allen Moorgeistern, hier stürzte alles in sich zusammen. Kai hob den Leib des kleinen Drachen auf und griff nach seinem Zauberstab. Noch immer erfüllte eine merkwürdige Taubheit seine Glieder und er spürte schmerzlich den Verlust seiner Zauberkräfte.
Wieder bebte es und weitere Geröllmassen donnerten von der Decke. Kai suchte furchtsam an der Wand Schutz, als er über sich etwas Helles entdeckte, das durch die Krateröffnung hindurch in die Tiefe jagte. Eines von Berchtis' Flügelpferden! Dann erkannte er die Reiterin. Es handelte sich um Fi.
Über seine Lippen drang nur ein Stöhnen. Fi jagte auf ihrem Flugross zu ihm herab. Hastig griff sie nach Kais Arm und zog ihn und Olitrax zu sich in den Sattel. Sie lächelte. »Ich hab doch gesagt, ich werde da sein, wenn du mich brauchst.«
»Ich weiß«, murmelte Kai benommen und hoffte nur noch, dass Fi ihn hier rausbrachte. »Ich weiß.«
Dann wurde es schwarz um ihn.
Ein neuer Morgen
Von der weit geöffneten Balkontür her wehte ein warmer Sommerwind in das Ankleidezimmer und trug den köstlichen Geruch blühenden Lavendels heran. Fröhlich tanzten die Strahlen der Sonne über die Kommoden und Samtstühle und auch der prachtvolle Kristallleuchter an der Decke funkelte hell in ihrem Licht.
Kai stand mit ausgebreiteten Armen vor dem Zauberspiegel aus dem Zunfthaus der Hammaburger Windmacher und starrte sein Spiegelbild an. Er trug jetzt einen Brokatmantel, der schwer auf seine Schultern drückte. Und neben ihm knieten zwei Palastdiener, die letzte Hand an seine weißen Beinkleider anlegten.
»Wundervoll!«, quäkte der Zauberspiegel. Seine Augen am oberen Spiegelrand bekamen einen schwärmerischen Ausdruck. »Endlich steht jemand vor mir, der es würdig ist, von mir angekleidet zu werden. Ihr seht wahrhaft königlich aus, Junge. Königlich!«
Kai seufzte. Sie hatten den Spiegel wie so vieles andere unter dem Plündergut im Sternenturm gefunden. Und unglücklicherweise hatte der neue Zunftmeister der Hammaburger Windmacher darauf bestanden, dass er ihn behielt. Warum war er nur so verrückt gewesen, ihn hier aufzuhängen?
»Also, ich weiß nicht«, meinte er zögernd. Am liebsten hätte er sich wenigstens das schwarze Haar wieder zerstrubbelt, das zu einem sauberen Scheitel gezogen an seinem Kopf klebte. »Das bin ich doch irgendwie nicht.«
»Doch Kai, gewöhne dich daran. In diesem Staat wirst du nun häufiger vor die Leute treten.« Fi betrat vom Balkon aus das Zimmer und lächelte ihm zu. »Außerdem kannst du bei deiner heutigen Krönungsfeier ja schlecht im Aufzug eines Irrlichtjägers vor die Leute treten. Zumindest wäre das wenig repräsentativ.«
Sie lachte und Kai seufzte abermals, während die beiden Diener weiterhin an ihm zogen und zerrten.
Drei lange Monate war es nun her, seit sie Morgoya und ihr Heer vor Colona geschlagen hatten. Als die dunkle Nebelkönigin gefallen war, hatte es nicht mehr lange gedauert, bis die Verteidiger wieder Oberhand gewannen. Die überlebenden Gargylen waren in alle Himmelsrichtungen davongeflogen, und mit ihnen hatten auch Morgoyas Heerscharen den Rückzug
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