Die Chroniken des Paladins 03. Das Buch Karand - Bellem, S: Chroniken des Paladins 3 Buch Karand
viel Blut verloren. Wir können nicht sofort weiter.«
»Hört auf die Frau«, stimmte Nnelg ihr zu. »Bleibt noch zwei Tage hier, damit ihr alle wieder zu Kräften kommt.«
Wenig später lagen sie alle auf und unter weichen und dicken Fellen. Ein wärmendes, kleines Feuer brannte beständig, da Nnelg stets gepressten Dung nachlegte.
»Hier wird uns nichts geschehen, nicht wahr Schamane?«, fragte Calissa.
»Keine Sorge. Dieser Ort ist heilig. Die Ahnen selbst schützen ihn«, antwortete der Schamane.
»Etwas Seltsames geschah während meiner Geistreise«, begann Ul’goth zu erzählen. »Bevor ich zu Tharador gelangte, wurde ich an einen anderen Ort gebracht. Einen Ort weit im Osten. Dort war ein gewaltiger Tempel, mitten im Sumpf. Tod und Verzweiflung waren überall. Ich wurde in den Tempel gezogen und begegnete Grunduul und Wantoi. Sie waren verändert, leichenblass, dennoch habe ich sie deutlich erkannt.«
Er machte eine Pause und stützte sich auf die Ellenbogen. Nnelg hatte sich aufrecht hingesetzt und starrte ins Feuer. »Was hast du noch gesehen?«, fragte der alte Schamane.
Ul’goth zögerte.
»Raus damit«, drängte Khalldeg, der die plötzliche Unsicherheit des Orks alles andere als beruhigend fand.
»Da war ein Thron aus Knochen und verrottenden Leichen. Es war kein festes Gebilde, vielmehr schien es auf eine dämonische Art zu leben. Und darauf saß eine Gestalt aus Dunkelheit. Eine einzige schwarze Wolke.«
»Wie kannst du dann sicher sein, dass es eine Gestalt war?«, fragte Faeron leise.
»Sie öffnete die Augen, in denen die Feuer der Niederhöllen brannten, und sah mich an. Und sie lachte.«
»Die Geistreise kann einen an die wundersamsten Plätze führen«, erklärte Nnelg.
»Da war noch mehr«, fuhr der Hüne fort. »Grunduul versprach mir, wir würden uns bald wiedersehen.«
»Plagt dich noch immer dein Gewissen?«, fragte Khalldeg.
»Nein, das war etwas anderes.«
»Du solltest dem nicht zu viel Bedeutung beimessen«, beschwichtigte Nnelg.
»Und wenn der Ewige Recht hatte?«, fragte Calissa zögerlich. »Wenn Llyraxis sich erholt hat und erneut eine Armee sammelt?«
»Dann ist das Buch Karand vielleicht unsere einzige Möglichkeit, ihn aufzuhalten«, sagte Faeron ernst.
»Geistreisen müssen nicht immer der Wirklichkeit entsprechen«, gestand Nnelg. »Nicht selten spielt das Gewissen uns einen Streich. Grunduul und Wantoi starben beide durch Ul’goths Hand.«
»Also könnte auch Tharador nur Einbildung gewesen sein?«, fragte Calissa entsetzt.
»Nein«, antwortete Ul’goth statt des Schamanen. »Tharador lebt. Ich fühle es mittlerweile deutlich. So deutlich, wie ich meinen Herzschlag spüre oder euch vor mir sehe. Ich weiß, dass er lebt.«
»Anscheinend hat der Ewige mehr getan, als dein Leben zu retten«, sagte Faeron. »Und du bist dir sicher?«
»Ja. Tharador lebt.«
»Dann finden wir ihn in Totenfels«, brummte Khalldeg, und seit Langem war sein Brummen erstmals wieder von Zufriedenheit erfüllt.
»Diese Frau«, erinnerte sich Faeron plötzlich. »Sie ist eine Magierin.«
»Sonst wären sie wohl kaum vom Gipfel entkommen«, grunzte Khalldeg spöttisch.
Faeron blieb ernst: »Sie wird möglicherweise einen Weg finden, das Buch zu benutzen.«
»Ein Grund mehr, uns zu beeilen, Elf! Also sieh zu, dass du wieder auf die Beine kommst.«
»Was wird geschehen, wenn sie die Macht des Buchs entfesselt?«, fragte Ul’goth. Eine tiefe Falte zierte seine breite Stirn. »Du bist als Einziger von uns dabeigewesen. Was hat Karandras mit dem Buch getan?«
Faeron seufzte. »Leider weiß ich kaum mehr als das, was uns der Ewige und Gordan erzählten. Karandras sammelte die Seelen der Sterblichen, da die Macht von Seelen einen Gott erschaffen kann.«
»Unnötig, darüber zu reden. Erst retten wir den Jungen, dann zerstören wir das Buch, egal welche Macht es in sich trägt«, raunte Khalldeg und drehte sich zum Schlafen um.
***
Das Zelt war sorgfältig verschlossen, und Tondar hatte die Anweisung, niemanden zu ihm zu lassen, bis er selbst die Plane wieder öffnete. Tizir setzte sich bequem mit untergeschlagenen Beinen auf die weichen Kissen in der Mitte des Zeltes. Zwei dicke Kerzen aus Bienenwachs spendeten ihm spärliches Licht und erfüllten das Zelt mit einem angenehmen Aroma.
Er atmete tief ein und aus und wiederholte die Übung, bis sich sein Herzschlag spürbar verlangsamte.
Sein Geist dehnte sich über die einengenden Grenzen seiner Menschlichkeit hinweg aus und
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