Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Verräter!«, entgegnet Jaryd leidenschaftlich, und man sah ihm an, dass sein ganzer drahtiger Körper angespannt war. In seinen Augen spiegelten sich das magische Licht und die Flammen. »Ebenso wenig wie Sonel. Ebenso wenig wie Baden, Trahn und Orris!«
»Ich würde erwarten, dass du das sagst«, erwiderte Niall kühl, »immerhin ist Baden dein Onkel.«
»Und wenn du von dem ausgehst, was du über mich weißt, Niall«, warf Alayna viel ruhiger als Jaryd ein, »würdest du dann erwarten, dass ich behaupte, dass es Sartol war, der Jessamyn und Peredur ermordet hat? Dass er es war, der Jaryd und mich in Therons Hain jagte?«
Nialls Mund war trocken geworden, und er wusste nicht, was er antworten sollte. Alayna war Sartols Schülerin gewesen. Sie waren enge Freunde gewesen. Erst vor ein paar Tagen hatte der Eulenmeister unter Tränen von seiner Trauer um sie gesprochen. Und nun stand sie auf dieser Lichtung, war vollkommen lebendig und behauptete, Sartol habe versucht sie umzubringen. Niall begriff das einfach nicht, aber es schien auch nicht vernünftiger anzunehmen, dass Alayna über solche Dinge die Unwahrheit sprach.
»Ihr wart beide tatsächlich in Therons Hain?«, brachte er schließlich mühsam heraus.
Alayna nickte. »Ja.«
»Und ihr seid entkommen?«
»Ja.«
»Habt ihr mit ihm gesprochen? Habt ihr wirklich getan, wozu die Delegation ausgeschickt wurde?«
»In gewisser Weise ja«, erwiderte Jaryd immer noch misstrauisch, aber nicht mehr so feindselig wie einen Augenblick zuvor. »Theron hatte nichts mit den Angriffen zu tun, aber er hat uns angeboten, bei der Suche nach den Angreifern zu helfen.«
Niall schüttelte den Kopf. »Diese beiden Männer, die in Wasserbogen gestorben sind - sind sie ...« Er brach ab, denn er wusste nicht, wie er fortfahren sollte.
»Wir trafen erst in Wasserbogen ein, als sie schon tot waren«, sagte Alayna. »Trahn war bei uns. Aber nach dem, was Baden und Orris uns von dem Kampf dort erzählt haben, und nach allem, was wir von Theron erfahren haben, glauben wir, dass es zwei von vielen sind, die nach Tobyn-Ser gekommen sind, um die Verbrechen zu begehen, deren Baden und die anderen nun angeklagt werden sollen.«
Niall wurde eiskalt. »Nach Tobyn-Ser gekommen? Stammen sie denn aus einem anderen Land?«
Wieder nickte Alayna.
»Was wollen sie hier?«
»Das wissen wir nicht. Aber sie haben offenbar vor, den Orden zu schwächen, so dass wir nicht in der Lage sein werden, Tobyn-Ser vor einer Invasion zu schützen.« »Ihr glaubt, dass Sartol mit diesen Leuten zu tun hat, dass er sich mit ihnen verbündet hat?«
»Das hat Theron uns gesagt«, antwortete Jaryd, »und Baden und Orris glauben beide, dass die Männer in Wasserbogen Sartol erkannt haben und ihn angesprochen hätten, hätte er sie nicht zuvor umgebracht.«
Der Eulemeister holte tief Luft, um sich ein wenig zu beruhigen, und versuchte zu begreifen, was die jungen Magier ihm erzählt hatten. Er war sich ihrer Blicke und der schweigenden Wachsamkeit Sonels bewusst. Eine unheimliche Stille hatte sich über die Lichtung gesenkt und wurde nur hin und wieder vom Knistern des Feuers und einem weit entfernten Vogelruf unterbrochen. Noch Minuten zuvor war Niall bereit gewesen, diese drei Magier als Verräter zu töten. Und nun ... nun wusste er nicht mehr, was er denken sollte. Ihre Anklagen gegen Sartol waren nicht überzeugender als die Anklagen, die Sartol gegen Baden und die anderen vorgebracht hatte. Tatsächlich wirkten sie sogar unglaubwürdiger. Sartol hatte immerhin Jessamyns und Peredurs Stäbe als Beweis dessen, was angeblich geschehen war, nach Amarid zurückgebracht. Er hatte Zeugen. Und dennoch, hier waren Jaryd und Alayna, die behaupteten, es sei Sartol und nicht Orris gewesen, der die Eulenweise und ihren Ersten getötet hatte; die behaupteten, sie hätten eine Begegnung mit Theron überlebt und dass es Sartol und nicht Orris gewesen sei, der sie gezwungen hatte, in den Hain zu flüchten. Es war absurd - wenn man von der Tatsache einmal absah, dass Niall, während er ihnen zuhörte, beinahe gegen seinen Willen zugeben musste, dass sich ihre Geschichte irgendwie wahr anhörte. Schon ihre Anwesenheit auf dieser Lichtung weckte Zweifel an Sartols Bericht, aber wichtiger war, dass Niall etwas an ihrer Haltung wahrnahm, was ihn nachdenklich machte. So erschreckend der Gedanke war, Niall zwang sich, über die Möglichkeit nachzudenken, dass Sartol sie alle belogen hatte. »Ich gehe davon aus, dass ihr Beweise
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