Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
finster. Er konnte immer noch mit einer Klinge umgehen, und er hatte hier, auf Tobyns Ebene, gelernt, wie man sich an Wild anschleicht und es tötet. Die Kräfte der Eulenmeister würden ihnen wenig nützen, wenn das Blut aus Badens durchschnittener Kehle in den Boden sickerte und Orris' Klinge sich tief in Sartols Schädel bohrte. Aber er würde doppelt vorsichtig sein müssen. Wenn er versagte und sie ihn töteten, solange er ungebunden war, würde er selbst zum Unbehausten werden.
»Aricks Faust möge dich treffen, Theron!«, murmelte er in die Nacht hinein. »Dich und deinen Fluch.«
Therons Fluch. Er hatte nie viel darüber nachgedacht, es war ihm nie wichtig erschienen. Sicher, Pordath wäre irgendwann gestorben, aber es hatte keinen Grund gegeben, sich wegen des Fluchs Gedanken zu machen, solange sie noch lebte. Und irgendwie hatte er wohl auch angenommen, dass er sich schnell wieder binden würde, dass diese Zeit der Schwäche und Unsicherheit nur ein paar Wochen andauern würde, vielleicht einen Monat oder zwei. Nie hätte er geglaubt, seinen Vogel bei einem Kampf zu verlieren oder dass er sich je solchen Gefahren ohne sie gegenüberfinden würde. Und nun hatte er zu einem Zeitpunkt, da er seine Kraft und seinen Mut mehr als je zuvor brauchte, nicht nur seine Magie verloren, sondern auch die Willenskraft. Er musste Baden und Sartol davon abhalten, die Große Halle zu erreichen, aber zum ersten Mal, seit er erwachsen war, hatte Orris Angst. Der Tod hatte ihn nie geschreckt, aber ewige Ruhelosigkeit war schlimmer. Er schloss die Augen und holte tief Luft. »Möge Arick dich mit seinem Blitz treffen, Theron«, zischte er durch zusammengebissene Zähne.
Es war in der letzten Zeit im Orden, sowohl unter den jüngeren als auch den älteren Mitgliedern, viel darüber gesprochen worden, dass man Therons Erbe zu lange ignoriert und den Ersten Eulenmeister damit erniedrigt hatte. Es hieß, Theron sei ebenso wie Amarid an der Beherrschung der Magie und der Gründung des Ordens beteiligt gewesen und habe daher Anerkennung verdient - er verdiente, dass man sich an ihn um mehr als nur des Fluches willen erinnerte. Orris hatte sich dieser Ansicht nie angeschlossen, und nun wusste er noch besser, warum. Jede Ehre, die Theron vielleicht einmal verdient hatte, hatte er von sich gewiesen, als er ungebundene Magier zu solcher Angst verdammte und jenen, die ohne einen Vogel starben, das schreckliche Schicksal bereitet hatte, ewig ruhelos umherzugeistern. Noch vor seinem Fluch hatte der Erste Eulenmeister die Magie als einen Weg zu Macht und Wohlstand gesehen, während Amarid sie ausschließlich als Möglichkeit betrachtet hatte, dem Land zu dienen. Orris wusste, dass einige Magier sein Eintreten für eine wichtigere Rolle des Ordens bei der Regierung von Tobyn-Ser für eine Annäherung an Therons Philosophie hielten, aber da war er vollkommen anderer Meinung. Führerschaft, so glaubte er, war nur eine weitere Art des Dienens, und im Augenblick brauchte Tobyn-Ser diese Führung dringend. Und Orris war sicher, dass ihm Amarid bei dieser Sache zugestimmt hätte. Was Theron anging - seine Ideen führten genau zu jener Art von Arroganz und Korruption, wie sie von diesen beiden Eulenmeistern verkörpert wurde, die versuchten, den Orden in ihre Gewalt zu bringen.
Orris setzte sich auf und schaute nach Norden. Wenn Baden und Sartol weitergeritten wären, hätte er ihre Pferde galoppieren gehört oder zumindest die Vibrationen am Boden gespürt. So war es aber nicht, und er konnte noch immer ein schwaches Schimmern in der Ferne sehen, wo die beiden Cerylle nun wohl im Gras lagen. Er nahm an, dass die Eulenmeister jetzt schliefen, und daher würde es einigermaßen sicher sein, das Gleiche zu tun. Irgendwann in einer der kommenden Nächte, wenn die beiden schliefen, würde er sich in ihr Lager schleichen und sie töten oder bei dem Versuch sterben. Aber heute Nacht, erschöpft und immer noch unter den Folgen des Kampfes mit Sartol leidend, brauchte er Ruhe.
Glyn ließ sich schwerfällig auf einen großen, von der Sonne aufgewärmten Stein am Flussufer sinken, ließ den Stab mit dem glühend roten Stein fallen und befahl dem riesigen schwarzen Vogel, von seiner Schulter auf den Boden zu hüpfen. Dann zog er vorsichtig die Lederschuhe aus und inspizierte den neuesten Schaden, den sie seinen Füßen zugefügt hatten. Beim Anblick der wunden, blutigen Blasen gab er eine beeindruckende Reihe von Flüchen von sich.
»Calbyr sagt, wir
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