Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
»Bist du jetzt endlich fertig?«, fragte er ungeduldig.
Glyn richtete sich auf und belastete zimperlich die müden Füße. »Besser wird's wohl nicht mehr.« Er griff wieder nach seinem Stock und rief den großen schwarzen Vogel zu sich. Sofort kam das Geschöpf angeflogen, und seine goldenen Augen glitzerten in der Sonne. »Gehen wir«, sagte er zu Kedar. »Aber du solltest dich lieber schon jetzt darauf gefasst machen, dass du mich noch vor dem Abend tragen musst.«
Kedar schnaubte. »Sehr unwahrscheinlich.«
Sie kletterten das steile Ufer hinauf und kehrten auf die Ebene zurück. Dort zogen sie weiter nach Süden, immer den Flusslauf entlang. Innerhalb kurzer Zeit kehrten die Schmerzen in Glyns Füßen zurück, und er begann leise auf Bragori vor sich hin zu fluchen, während er hinter Kedar dreinschlurfte. Er hasste Tobyn-Ser, seine seltsame Sprache, das langweilige Essen und seine dämlichen Bewohner. Und diese Arbeit begann ihn zu langweilen. Er war erschöpft von dem endlosen Wandern, hatte vollkommen genug davon, auf dem Boden zu schlafen, und konnte diese nutzlose Wildnis einfach nicht mehr sehen. Er kam sich lächerlich vor in diesem albernen grünen Umhang, und er hätte am liebsten diese schrecklichen, steifen Schuhe in den Fluss geworfen. Aber am meisten hatte er genug davon, sich von Calbyr herumkommandieren zu lassen. Ja, er hatte Angst vor dem Mann mit seinen wilden, dunklen Augen, der unheimlich aussehenden weißen Narbe und seiner schlanken Gestalt. Glyn hatte Calbyr schon öfter töten sehen, als er zählen konnte. Aber dass er ihn fürchtete, bedeutete nicht, dass er ihn nicht auch gleichzeitig hassen konnte.
In diesem Augenblick hätte Glyn seine ganze Habe dafür gegeben - was zugegebenermaßen nicht sonderlich viel war -, um wieder in Bragor-Nal zu sein, gemütlich in seiner Lieblingskneipe zu sitzen und auf einen neuen Auftrag zu warten. Calbyr war immerhin nicht der Einzige im Nal, für den ein Mann wie Glyn arbeiten konnte. Glyn war auch schon gut zurechtgekommen, bevor er Calbyr begegnet war; er würde auch ohne ihn weiterleben können. Seine Arbeit im Nal war nie so anstrengend und so unbequem gewesen. Hier waren sogar die Waffen seltsam. Er fand den langen Stock mit dem glühenden roten Stein unhandlich und vermisste die kompakte Wirksamkeit seiner gewohnten Handfeuerwaffe. Damit hatte er sich sicherer gefühlt, besser im Stande, sich zu verteidigen. Ich wette, Yarit hätte sich retten können, wenn er einen normalen Werfer dabeigehabt hätte, dachte er und versank noch tiefer in seinem eigenen Unbehagen. Dennoch, er musste zugeben, dass diese Waffe mehr Feuerkraft hatte als alles, was er zu Hause je benutzt hatte. In Kaera waren sie damit hervorragend zurechtgekommen. Er grinste bei der Erinnerung daran. Wenn er ehrlich war, hasste er nicht alles an dieser Arbeit, und es war ihm vor seinem Abschied aus Lon-Ser dort nicht sonderlich gut gegangen. Calbyr war vielleicht verrückt, aber wenn sie Erfolg hatten und die Bezahlung nur halb so hoch war, wie Calbyr versprochen hatte, würde Glyn nie wieder arbeiten müssen. Andererseits hatte Calbyr ihnen allen einen qualvollen Tod angedroht, falls sie versagen sollten. Später, als sie allein waren, hatten Glyn und Kedar darüber Witze gemacht und sich gefragt, was Calbyr wohl wichtiger wäre: das Geld oder eine Ausrede, sie töten zu können. Tatsächlich hatten sie keinesfalls vor zu versagen. Calbyr hatte seine Leute sorgfältig ausgewählt; bei seiner Truppe waren sowohl ehemalige Bandenmitglieder als auch Unabhängige. Diese Truppe würde nicht versagen - nicht, solange sie von dem Versprechen unvorstellbaren Reichtums angetrieben wurde. Wenn er ehrlich war, hätte auch Glyn seinen Anteil an der Beute niemals für ein wenig mehr Bequemlichkeit aufgegeben. Es war egal, wie schlecht es ihm ging. Er grinste, wenn auch freudlos: Zweifellos hatte Calbyr genau auf eine solche Haltung gezählt, als er seine Pläne schmiedete. Nun, das war in Ordnung. Solange Glyn seinen Anteil erhielt, würde er Calbyr seine kleinen Siege zugestehen.
Der bei weitem beste Teil dieser Arbeit war der großartige Vogel, den Glyn auf der Schulter trug. Er hatte ihn bei der Ausbildung und der Arbeit, die den größten Teil der vergangenen zwei Jahre in Anspruch genommen hatten, tatsächlich lieb gewonnen. Wenn er den Vogel so elegant fliegen sah und das Aufblitzen von Intelligenz in seinen glitzernden Augen bemerkte, konnte er leicht vergessen, dass es sich um ein
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