Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Falken und konnte die gleiche Ansammlung von Metallsträngen, Glas und dem seltsamen Material erkennen, aus dem der Rest des Körpers bestanden hatte. Und als er sich das Auge selbst anschaute, das ein paar Fuß entfernt auf dem Boden gelegen hatte, erkannte Orris, dass es aus einer flachen goldenen Scheibe bestand, die sich in einem gebogenen Stück Glas befand. Der Falkenmagier ging schnell zu dem zweiten Geschöpf, und nun wusste er bereits, was er dort finden würde, aber er wollte ganz sichergehen. Wie sein Zwilling hatte auch dieser »Vogel« niemals wirklich gelebt. Trotz seines falkenartigen Fluges und der Vorwegnahme der Taktik, mittels deren Baden und seine Eule versucht hatten, ihn in die Gefahrenzone zu locken, trotz seiner offensichtlichen Fähigkeit zu sehen, zu hören und zu denken, wie Pordath es gekonnt hatte, war dieses Geschöpf nichts weiter als ein Werkzeug. Es war wie der Blasebalg eines Schmiedes oder der Pflug eines Bauern; es war von Menschen hergestellt worden, damit sie es benutzen konnten.
Allerdings nicht von Menschen dieses Landes, so viel war Orris klar. Das Ausmaß mechanischer Feinheit in diesem Vogel überstieg bei weitem die Fähigkeiten selbst des besten Handwerkers in Tobyn-Ser. Tatsächlich war der Unterschied zwischen diesen Vögeln und den fortschrittlichsten Werkzeugen in Tobyn-Ser so gewaltig, so überwältigend, dass Orris ihn kaum begreifen konnte. Zutiefst verängstigt hielt er auf der staubigen Straße nach anderen Dingen Ausschau, die ihm Aufschlüsse über die Herkunft dieser Männer geben könnten.
Als er ihre Stäbe bemerkte, ging Orris zu dem nächstliegenden und hob ihn auf. Aus der Ferne hatte der Stab ausgesehen, als bestünde er aus Holz und Kristall, wie Orris' eigener Stab mit dem Ceryll. Aber als der Magier nun den Stab des Fremden aufhob und ihn sich näher ansah, begriff er abermals, dass das Aussehen getäuscht hatte. Das Material des Stabes ähnelte Holz, aber wie die Federn des Vogels war er stellenweise von der Hitze des Feuers, das seinen Besitzer verschlungen hatte, geschmolzen. Er fühlte sich seltsam an: viel zu leicht und schlecht ausbalanciert. Der rote Stein schien ein echter Kristall zu sein, aber inzwischen war Orris skeptisch geworden. Ein kleines Viereck am Schaft direkt unter dem Stein erregte seine Aufmerksamkeit. Rasch sah er sich um, weil er sich überzeugen wollte, dass ihn niemand sah, dann richtete er den Kristall nach unten, schob den Daumen auf das Viereck und drückte zu. Sofort schoss ein Strahl roten Feuers in die Straße, wirbelte eine dunkle Rauchwolke auf und ließ den Stab leicht vibrieren und nach oben zucken.
Orris legte ihn rasch wieder dorthin zurück, wo er ihn gefunden hatte, und dabei musste er sich ungeheuer anstrengen, nicht vollkommen in Panik zu geraten. Diese Männer - oder diejenigen, die sie geschickt hatten - waren im Stande gewesen, scheinbar lebendige Geschöpfe herzustellen, die wie Vögel aussahen, und sie hatten Waffen geschaffen, deren Wirkung der von magischem Feuer entsprach. Ein Feind mit solchen Fähigkeiten stellte eine große Gefahr für Tobyn-Ser da; selbst der Orden würde nicht mehr für die Sicherheit des Landes garantieren können.
Orris starrte erst den Stab und dann wieder die Überreste des Vogels an, und er versuchte verzweifelt zu deuten, mit was er es hier zu tun hatte. Und dabei fiel ihm ein Gespräch wieder ein, das er im Frühjahr mit einem seiner Freunde geführt hatte. Crob war ein Kaufmann aus Abboriji, der regelmäßig zum Hafen von Wildflut kam, der am Ostrand von Tobyns Ebene lag. Wie stets hatte Orris den Kaufmann mit den ständigen Kleinkriegen in dessen Heimatland geneckt und sich lautstark darüber gewundert, wieso die Menschen in Abboriji nicht so friedlich wie die Einwohner von Tobyn-Ser sein konnten. Normalerweise nahm Crob diese Sticheleien gut gelaunt entgegen, aber diesmal war er zornig geworden.
»Das geht dich nichts an, Magier!«, hatte der Kaufmann ihn angefaucht. »Abboriji braucht wirklich nicht noch mehr Fremde, die sich einmischen! Unsere Kriege sind unsere Angelegenheit!«
Verblüfft von der Reaktion seines Freundes hatte Orris beschwichtigend die Hände gehoben. »Ich meinte es nicht böse, Crob«, hatte er dem blonden Mann versichert. »Es war nur ein Witz.«
Crob hatte ihn eine Zeit lang wütend angestarrt, dann hatte er schließlich den Blick abgewandt und genickt. »Das weiß ich, Orris. Es tut mir Leid.«
»Hat Abboriji Probleme mit
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