Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
für ihn, was er selbst nicht mehr hatte tun können. Was den anderen Schmerz anging, den er jedes Mal empfand, wenn er an Pordath dachte ... nun, das würde länger brauchen.
Er hatte vor, sich zurückzuhalten, bis sie in Tobyns Wald waren, bevor er versuchen würde, sie anzugreifen. Aber dann hatte er über der weit entfernten Ortschaft die Explosionen roten Lichts gesehen und beinahe sofort begriffen, was das zu bedeuten hatte. Er hatte seinen leuchtenden Ceryll weiterhin bedeckt gelassen und sein Pferd mit einem Zorn und einer Verzweiflung angetrieben, die beinahe bewirkt hätten, dass er Sartol überholte. Nur das Tempo, mit dem die Eulenmeister auf Feuer und Rauch zuritten, und besonders die echte Dringlichkeit, mit der Baden offenbar sein Pferd antrieb, hielten Orris davon ab, seine Strategie aufzugeben und ganz offen in die Stadt zu reiten. In Wahrheit war er nicht einmal sicher, ob er Baden hätte einholen können - obwohl er das nur ungern zugab. Also entschied er sich, seine Anwesenheit noch ein wenig länger geheim zu halten und zu beobachten, was Baden tat, bevor er den einzigen Vorteil opferte, über den er noch verfügte. Er hatte sich auch eingestehen müssen, dass er, machtlos, wie er im Augenblick war, kaum eine Chance gehabt hätte, den Angriff aufzuhalten.
Er hatte den östlichen Rand des Marktplatzes gerade in dem Augenblick erreicht, als Baden die beiden riesigen schwarzen Vögel tötete. Beinahe hätte er dem Eulenmeister eine Warnung zugerufen, als er zu seinem eigenen Staunen bemerkte, dass die beiden Magier - oder was immer sie auch sein mochten -, ihre Macht nicht mit dem Tod ihrer Vögel verloren hatten. Und dann hatte er verblüfft und schließlich mit großem Interesse zugesehen, wie Sartol ins Dorf geritten kam, die Fremden tötete und Baden als Verräter gefangen nehmen ließ. Hätte er nicht von Sartols Verrat gewusst, dann hätte er tatsächlich geglaubt, dass Baden versucht hatte, die Angreifer zu schützen, genau wie es die Einwohner von Wasserbogen nun offenbar glaubten.
Aber Orris hatte auch gesehen, wie einer der Fremden die Kapuze zurückschob, nachdem er Sartol entdeckt hatte, und es war ihm so vorgekommen, als hätte der Mann vorgehabt, den Eulenmeister anzusprechen. Orris war wütend gewesen, als Sartol die beiden Männer getötet hatte, ohne zunächst zu versuchen, sie einfach nur unschädlich zu machen und zu verhören. Baden war es offenbar ähnlich ergangen.
In diesem Augenblick kam Orris der Verdacht, dass er vielleicht zu voreilig gewesen war, als er angenommen hatte, dass Baden mit Sartol zusammenarbeitete. Er wusste zwar aus bitterer eigener Erfahrung, dass Sartol tatsächlich ein Verräter war, aber für Badens Schuld gab es keine Beweise. Gut, er und Baden waren in der Vergangenheit oft unterschiedlicher Ansicht gewesen, und der Eulenmeister hatte sich leidenschaftlich für diese unselige Delegation zu Therons Hain eingesetzt. Aber wenn er ehrlich war, dann musste Orris zugeben, dass diese Dinge, ob man sie nun gemeinsam oder getrennt betrachtete, nichts über Badens Treue zum Land aussagten. Andererseits sagte Trahns unumstößliches Vertrauen zu dem Eulenmeister eine ganze Menge. Dasselbe galt für Orris' eigene Erinnerung an Badens Worte an den Orden, kurz nachdem ein Steinwurf ein Fenster der Großen Halle zerstört hatte: »Falls sich in dieser Halle ein Mörder und Verräter befindet, soll er Folgendes wissen: Ich werde dich finden, und ich werde all meine Macht nutzen, um dich zu vernichten.« Orris hielt sich für einen mächtigen Magier, oder zumindest war er das vor Pordaths Tod gewesen, und er ließ sich nicht so schnell einschüchtern. Aber als Baden an diesem Tag in der Großen Halle seine Herausforderung ausgesprochen hatte, hatte ihn die Miene des Eulenmeisters erschreckt. Seit er den Hain verlassen hatte, hatte er Badens Aussage als Theater abgetan, denn wie hätte er sonst daran glauben können, dass Baden den Orden verraten hatte? Aber als er an diesem Abend in einer Gasse zwischen zwei Läden im Schatten kauerte und zusah, wie Baden gegen diese fremden Magier und ihre riesigen schwarzen Vögel um sein Leben kämpfte, und dann Zeuge der Konfrontation des Eulenmeisters mit Sartol geworden war, hatte Orris begonnen, seine eigene Einschätzung zu hinterfragen. Dieser Selbstzweifel, diese Unentschlossenheit waren ungewohnte, seltsame Empfindungen für ihn. Aber seit er nicht mehr gebunden war, hatte ihn die Kompliziertheit seiner eigenen Gefühle
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