Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
hochgezogen, als ihr zustand, als sie sah, dass Sartol bereits aufgestanden und angekleidet war.
»Soll ich dir das Frühstück bringen, Eulenmeister Sartol?«, fragte sie sehr höflich und hilfsbereit.
»Nur Tee«, hatte er erwidert, und es war ihm nicht gelungen zu verbergen, wie verärgert er war.
Sie nickte, zog sich zurück und überließ es Sartol, seine Dummheit und das übereilte Vorgehen danach zu verfluchen. Es war zu früh, den Orden schon zur Verhandlung zusammenzurufen. Und außerdem musste er zunächst hören, was Niall erreicht hatte. Selbstverständlich war es zu spät zum Schlafen. Also hatte der Eulenmeister versucht, sich zu sammeln und noch einmal über seine Fortschritte mit dem Rufstein nachzudenken. Leider waren in der folgenden Stunde seine Befürchtungen bezüglich der Verhandlung immer wieder in seine Gedanken eingedrungen. Wieder einmal hatte er sich, wie so oft in der vergangenen Woche, zwingen müssen, mit dem Auf-und-ab-Gehen aufzuhören, und sich in einem Sessel niedergelassen, wobei kleine Tröpfchen des Shan-Tees aus dem Becher auf seinen Umhang spritzten. Er war in der letzten Zeit zu viel auf und ab gegangen - es war eine schlechte Angewohnheit, eine, die gefährlich dazu beitragen konnte, anderen zu verraten, wie unruhig er war. Er fand es ausgesprochen störend, dass er sich gerade jetzt, so kurz vor seinem Triumph, so viele Sorgen machen musste.
Er wusste, dass dies das Resultat seiner Begegnung mit Baden war. Selbst unter Bewachung, ohne seinen Ceryll und öffentlich als Verräter gebrandmarkt, ließ der Eulenmeister ihm keine Ruhe. Wenn Baden am Vortag nur nicht so verdammt selbstsicher gewesen wäre, obwohl man ihn gerade verhaftet hatte! Orris hatte zwar trotzig ausgesehen, war auch sehr bleich gewesen und hatte sich eindeutig gedemütigt gefühlt, genau wie es hatte sein sollen. Trahn war wie immer verstörend undurchschaubar geblieben. Aber Baden ... ja, er hatte müde ausgesehen, aber nicht mehr als Sartol selbst. Der Eulenmeister hatte keinen verängstigten Eindruck gemacht, aber das hatte Sartol auch nicht erwartet; wie jeder, der an Macht und Führerschaft gewöhnt war, konnte Baden seine Gefühle sehr gut verbergen. Was Sartol allerdings alarmiert hatte, war die Tatsache, dass man dem Eulenmeister sehr wohl bestimmte Empfindungen ansah, nur nicht jene, die er erwartet hätte. Baden hatte ihn tatsächlich angelächelt, als er eine sofortige Verhandlung verlangte, er hatte gelächelt, und nur für einen Augenblick, wenn auch zweifellos lang genug, dass Baden es sehen konnte, hatte Sartol die Fassung verloren. Wie hätte es auch anders sein können? Er war auch nur ein Mensch. Und der Mann hatte gelächelt! Des Verrats und des Mordes bezichtigt, kurz vor einer Verhandlung, bei der er keine bedeutenden Beweise seiner eigenen Unschuld vorbringen konnte, und sich zweifellos bewusst, dass Sartol jeden einzelnen Gegenstand, den Calbyrs Männer in Wasserbogen zurückgelassen hatten, zerstört hatte, hatte Baden nicht das geringste Anzeichen von Nervosität an den Tag gelegt. Sartol fand das beunruhigend. Tatsächlich fand er es sogar erschreckend.
Als er ein paar Minuten später im Zimmer des Eulenweisen über den Vorfall nachgedacht hatte, hatte er sich selbst eingeredet, dass Badens Geste aufgesetzte Forschheit gewesen war und nichts weiter. Aber der hagere Eulenmeister hatte schrecklich überzeugend gewirkt, so sehr, dass Sartol begonnen hatte sich zu fragen, ob Baden nicht doch irgendwelche Beweise hatte. Warum sonst sollte er sich für eine sofortige Verhandlung aussprechen? Als jüngere Mitglieder des Ordens hatten Orris und Trahn viel zu gewinnen, indem sie warteten, bis alle Magier nach Amarid zurückgekehrt waren, und dennoch hatten sie sich entschieden, die Verhandlung sofort durchzuführen. Ein Teil von Sartol fragte sich, was der Grund dafür sein mochte, was sie glaubten, durch eine Beschleunigung der Dinge erreichen zu können. Unwillig gab er zu, dass Baden vielleicht das gelbe Flackern des Rufsteins bemerkt und daraus geschlossen haben könnte, dass Sartol versuchte, sich mit dem gewaltigen Kristall zu verbinden. Aber dagegen konnte Sartol im Augenblick nichts tun, und in ein paar Tagen würde es auch niemanden mehr kümmern. Das eindeutige Selbstvertrauen hinter der Entscheidung der drei Magier beunruhigte ihn allerdings. Offensichtlich glaubten sie tatsächlich, den Orden von ihrer Unschuld überzeugen zu können. Warum hatten sie diesen Weg
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