Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Cerylle gleichzeitig gebunden. Aber dann hatte seine Allianz mit Calbyr ihn gezwungen, es zu versuchen. Er hatte eine Möglichkeit gebraucht, um mit dem Fremden über große Entfernungen kommunizieren zu können. Also hatte er seine Macht in einen der zusätzlichen Kristalle fließen lassen, die er aus Ceryllon mitgebracht hatte, ganz ähnlich, wie er es mit dem Waldsee in Tobyn-Ser gemacht hatte. Und schon bald hatte dieser zweite Ceryll so hell geleuchtet wie sein erster. Aber damit hatte er es nicht bewenden lassen. Sartol hatte seine gewaltige Macht benutzt und den zweiten Stein verändert, ihn auf seinen ersten eingestimmt, so wie Amarid den Rufstein auf alle anderen Cerylle eingestimmt hatte, so dass er sich mit Calbyr in Verbindung setzen konnte, wenn das notwendig wurde. Danach hatte er gewusst, dass auch der Rufstein eines Tages ihm gehören würde. Ja, der Kristall war gewaltig, aber das galt auch für Sartols Macht. Es war nur eine Frage von Zeit und Zugangsmöglichkeiten, und er verfügte nun über beides. In der Nacht zuvor hatte gespürt, wie die Macht durch seinen Körper strömte wie eine Gezeitenwelle, als er langsam und unausweichlich seine Herrschaft über den riesigen Kristall ausdehnte und ihn zu einem Brennglas für die Kraft machte, die er von Huvan bezog. Und dabei hatte Sartol eine Begeisterung verspürt, die anders war als alles, was er zuvor gekannt hatte. Er war so stark, so unglaublich stark! Und er würde noch stärker werden und in nur ein paar Tagen der mächtigste Magier sein, der je gelebt hatte.
Schon sehnte er sich danach, diese Macht einzusetzen, den anderen vorzuführen, wie weit er die Magie gebracht hatte. Sie hatten ihm Jessamyn vorgezogen; sie hatten ihn dafür getadelt, dass er eins von Amarids Gesetzen gebrochen hatte. Aber bald schon, sehr bald, würden sie begreifen, dass er mehr geworden war als Amarid, den sie so verehrten, mehr als Theron, den sie fürchteten, mehr als sie selbst je sein könnten, selbst wenn sie ihre Macht zusammentaten und ihn gemeinsam herausforderten. Sie würden nicht mehr im Stande sein ihn aufzuhalten, und Tobyn-Ser würde ihm gehören. Selbst Calbyr und seine Männer und die mörderischen Geschöpfe, die sie auf ihren Schultern trugen, würden vor ihm auf die Knie sinken. Bald, sehr bald. Sartol schüttelte den Kopf und widerstand der Versuchung, aufzustehen und wieder hin und her zu gehen. Er begriff es wirklich nicht. Selbst nach all seiner Planung, selbst nun, da Niall ohne es zu wissen mitmachte und nachdem er den Rufstein schon beinahe beherrschte - warum fiel es ihm immer noch so schwer, sich zu beruhigen?
Er stand auf und ging ungeduldig auf den Schreibtisch zu, der neben der Feuerstelle stand.
»Es ist dieses Warten«, sagte er, als könnte er sich beruhigen, indem er die Worte laut aussprach.
Huvan, die auf dem Kaminsims hockte, öffnete die gelben Augen und betrachtete ihn leidenschaftslos.
Wieder ging Sartol auf und ab. Es ist dieses Warten, sagte er sich abermals. Sobald die Verhandlung beginnt, wird es mir besser gehen. Er holte tief Luft und wünschte sich, dass Niall schon da wäre.
Nur ein paar Minuten später hörte er das leise Klopfen an der Tür, aber die Zeit war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen.
»Herein!«, rief Sartol eifriger, als er vorgehabt hatte. Sei vorsichtig, mahnte er sich dann, als der ältere Magier die Tür öffnete. »Komm herein, Niall«, sagte er abermals, diesmal sanfter und mit einem Lächeln. »Du bringst Neuigkeiten?«
Der Eulenmeister wirkte bleich und erschüttert. Offensichtlich hatte er etwas erfahren. Sartol kämpfte dagegen an, dass sein Herz noch schneller schlug.
Niall ließ sich in einen der Sessel sinken. Er hockte eine Minute lang reglos da, dann fasste er sich und blickte zu dem Eulenmeister auf. »Du hattest Recht«, begann er. »Diese Verschwörung umfasst nicht nur die drei Angeklagten. Gestern, spät am Nachmittag, hat Sonel sie kurz besucht und ist dann in den Falkenfinderwald gegangen. Ich bin ihr zu einer Lichtung gefolgt, wo sie sich mit zwei anderen Magiern traf, und habe mich unter den Bäumen versteckt, so dass ich ihr Gespräch belauschen konnte. Sie sprachen davon, sich dem Willen des Ordens zu widersetzen und dich davon abzuhalten, Eulenweiser zu werden; sie schworen sogar, das Volk von Tobyn-Ser gegen uns aufzuwiegeln, falls das notwendig sein sollte.«
Sartol setzte sich neben Niall und riss die Augen in ungekünsteltem Staunen auf. Das war mehr, als er erwartet,
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