Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
das Gefühl, als hätte eine kalte Hand ihr Herz gepackt, immer fester und fester, bis sie sich fragte, ob ihr Blut überhaupt noch floss. Dann werden wir dir Marcran wegnehmen. Ihr Mund war trocken und sie konnte den Blick nicht von der Eulenweisen abwenden. Es war gut möglich, dass sie bereits gegen Amarids Gesetze verstoßen hatte, ohne es zu wissen, und ihnen damit Grund gegeben hatte, ihr ihren geliebten Falken wegzunehmen.
Sonel sah sie nachdenklich an. »Kennst du Amarids Gesetze überhaupt, Cailin?«, fragte sie, als hätte sie die Gedanken des Mädchens gelesen. »Weißt du, was sie sagen?«
Cailin spürte, wie sie rot wurde. »Nein«, flüsterte sie. Sie hatte erwartet, die Magierin würde wieder zornig werden, aber stattdessen lächelte Sonel sogar ein wenig. »Das ist kein Problem. Sie sind sehr schlicht und vernünftig. Ich glaube nicht, dass es dir schwer fallen wird, dich daran zu halten, selbst wenn du keinen Schwur ablegst. Sie verlangen nur, dass wir unsere Macht nutzen, um den Menschen zu helfen, und dass wir sie niemals einsetzen, um einen Vorteil gegenüber jenen zu erlangen, die nicht so stark sind wie wir. Wir benutzen sie niemals, um gegeneinander zu kämpfen, und wir tun nichts, was unseren Vögeln schaden könnte.«
»Das ist alles?«, frage Cailin.
Sonel grinste. »Das ist alles. Das sind Amarids Gesetze. Glaubst du, du kannst dich daran halten?«
Cailin sah sie skeptisch an. »Ich bin nicht dumm.«
»Ich versuche nicht, dich durch irgendeinen Trick dazu zu bringen, den Schwur abzulegen«, versicherte ihr die Eulenweise. »Um den Schwur abzulegen, würdest du die Gesetze laut wiederholen müssen, Wort für Wort. Ich möchte nur wissen, ob du glaubst, dich an diese Regeln halten zu können.«
»Ich denke schon«, antwortete Cailin, nachdem sie einen Augenblick lang nachgedacht hatte. »Ich würde solche Dinge sowieso nicht tun.«
Sonel sah sie ernst an. »Das hatte ich auch nicht angenommen.«
Beide schwiegen. Sonel starrte aus dem Fenster in den wirbelnden Schnee, und Cailin sah ins Feuer, das zu einem Haufen glühender Holzkohle und Asche niedergebrannt war. Die Zeit zum Mittagessen war lange vergangen, und ihr Magen war leer und knurrte. Das Gespräch hatte sie erschöpft, und sie wünschte sich, die Eulenweise würde gehen.
»Was hast du schon gelernt, mit deiner Macht zu tun?«, fragte Sonel plötzlich und sah Cailin wieder an.
Es war zu spät, es noch mit Schweigen zu versuchen. Sonel hatte längst dafür gesorgt, dass diese Möglichkeit nicht mehr bestand. »Ich kann Feuer entzünden und Holz formen«, antwortete Cailin leise. »Und ich kann mich selbst heilen, wenn das notwendig ist.«
Die Weise nickte und schaute wieder aus dem Fenster. »Gut«, erklärte sie mit einer Stimme, die von weit her zu kommen schien. »Das ist sehr gut.«
Wieder schwiegen beide. Dann hörte Cailin das Rascheln von Sonels Umhang, als die Eulenweise aufstand. »Ich sollte jetzt lieber gehen«, sagte sie, griff nach ihrem Stab und ging zur Tür. Sie streckte die Hand nach der Türklinke aus, aber dann hielt sie noch einmal inne. »Ganz gleich, was du denkst, Cailin«, sagte sie und sah das Mädchen noch einmal an, »ich wäre gerne deine Freundin.«
Cailin starrte die Eulenweise schweigend an. Es wäre leichter gewesen, wenn sie ihr nicht geglaubt hätte. Schließlich nickte sie.
Sonel lächelte, obwohl ihr Blick traurig blieb, und sie öffnete die Tür.
»Warum bist du ausgerechnet heute gekommen?«, fragte Cailin impulsiv.
Die Weise hielt inne.
»Die Älteste wusste schon lange von meiner Macht«, fuhr Cailin fort. »Warum bist du nicht eher gekommen?« Die Frau stand reglos da, die Türklinke immer noch in der Hand. »Ich hatte Angst«, sagte sie schließlich.
Cailin blinzelte. »Angst?«
Das brachte ein Lächeln auf die Lippen der Frau, und sie schloss die Tür wieder. »Ja, Cailin«, erwiderte sie und sah das Mädchen an. »Ich hatte Angst, dir zu begegnen. Ich weiß, was du durchgemacht hast, und ich weiß, wie du über den Orden denkst. Und ein Teil von mir hatte Angst, mich dem zu stellen.«
»Und warum bist du dann überhaupt gekommen?« Die Eulenweise zuckte die Achseln. »Wie ich schon sagte, es ist meine Verantwortung zu wissen, wie deine Macht sich entwickelt.« Sie zögerte. »Und ich habe andere ... Sorgen, die mir das Gefühl gaben, ich sollte mich jetzt darum kümmern.«
»Die Fremden«, flüsterte Cailin entsetzt.
»Nein«, sagte Sonel rasch und schüttelte heftig
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