Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
diese schlichte Tat konnten die Magier ein gewisses Maß an Rache für den Tod der Eulenmeister und die Angriffe auf das Land nehmen; sie konnten sich das Vertrauen und den Respekt der Bevölkerung zurückerobern, und sie konnten sich die größte Gefahr für die Einigkeit des Ordens vom Hals schaffen. Es kam ihm so klar, so logisch vor, dass er kaum glauben konnte, dass noch niemand vor ihm diese Schlüsse gezogen hatte. Baden war, wie er zugeben musste, ziemlich überzeugend gewesen. Und selbst wenn die Argumente des hageren Eulenmeisters die Mehrheit des Ordens nicht überzeugt hatten, so hatte doch Sonel offenbar noch vor kurzem an sie geglaubt. Als der Orden dafür stimmte, Baram hinzurichten, hatte sie ihr Vetorecht als Eulenweise genutzt, um das zu verhindern.
Aber auch Erland konnte überzeugend sein. Und in dieser Sache konnte er außerdem davon ausgehen, dass er für die Mehrheit des Ordens sprach. Daher hatte er bei seinem letzten Besuch in Amarid, bei dem es nach außen hin vor allem darum gegangen war, seine Antwort auf Badens Bericht zu überreichen, mit dem langsamen, vorsichtigen Prozess begonnen, die Eulenweise von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen.
»Das hier hat nichts mit den Differenzen zu tun, die ich in der Vergangenheit mit Baden hatte«, hatte er ihr gesagt, als sie im Zimmer der Weisen Shan-Tee getrunken hatten. »Ich gebe sogar zu, dass ich mich am Anfang geirrt habe. Es hatte zunächst vielleicht einen gewissen Nutzen, dass Baden sich darum bemüht hat, den Fremden vor der Hinrichtung zu schützen. Aber das ist lange vorbei, Sonel. Das weißt du. Baram ist zu einem Mühlstein am Hals des Ordens geworden. Solange er lebt, werden die Menschen uns nie vertrauen, und wir werden weiter gegeneinander kämpfen.«
Als er nun in seinem gemütlich warmen Haus stand und sich über einen Rosenstock beugte, hielt Erland inne und erinnerte sich an den Ausdruck von Unentschlossenheit und Unbehagen, der kurz in den Augen der Eulenweisen aufgeblitzt war. Sie hatte sich allerdings rasch erholt und das Thema gewechselt, bevor er sie weiter bedrängen konnte. Aber dann war sie später selbst darauf zurückgekommen. »Ich werde über deine Empfehlung, was Baram angeht, nachdenken, Erland«, hatte sie gesagt, als sie ihn zu dem massiven Tor der Großen Halle gebracht hatte. »Ich kann nichts versprechen, aber ich werde darüber nachdenken.«
Ihre Miene jedoch hatte ihm viel mehr als das gesagt. Er hielt es nicht mehr für eine Frage, ob sie die Hinrichtung Barams zulassen würde. Es ging nur noch um den Zeitpunkt.
Irgendwann im kommenden Sommer wahrscheinlich, dachte er und griff nach einer vertrockneten Blüte, die mitten in den Rosenbusch gefallen war. Vielleicht schon früher, nach ein paar weiteren Besuchen in Amarid. Er hatte sogar daran gedacht, Mahnwachen vor dem Gefängnis zu organisieren, in dem Baram sich befand. Er warf einen Blick aus dem Fenster in den grauen Himmel und den vorbeiwehenden Schnee. Nein, nicht jetzt, aber im Frühjahr. Solche Demonstrationen könnten die Angelegenheit enorm beschleunigen. Wenn die Bevölkerung von Amarid laut nach Barams Tod rief, würde das seinen eigenen Argumenten gewaltigen Nachdruck verleihen. Ja, eine Mahnwache wäre eine hervorragende Idee.
Er trennte mit dem Blumenmesser eine vertrocknete Rose ab und schnitt sich dabei in den Finger. Er zog die Hand zurück und sah einen Tropfen Blut aus der Wunde dringen. Als er den Finger in den Mund steckte, musste er über seine Achtlosigkeit lächeln. Eine Lektion, dachte er. Lass nicht zu, das man dich von deiner Aufgabe ablenkt, sei es Rosenschneiden oder der Kampf für eine gerechte Sache. Sein Lächeln wurde ausgeprägter. Es gab durchaus das eine oder andere, was mitunter für ein wenig Blutvergießen sprach.
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A ngesichts unserer Erfahrungen mit den Fremden und der Informationen, die ich in anderen Kapiteln dieses Berichts gegeben habe, könnte man leicht versucht sein anzunehmen, dass Bragor-Nal ausschließlich von Dieben und Mördern bewohnt ist. Tatsächlich könnte dies nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Baram berichtet, dass seine Mitschurken und ihre Auftraggeber nur einen winzigen Bestandteil der Bevölkerung ausmachen. Die große Mehrheit der Bewohner von Bragor-Nal ist in ein komplizierten System von Handel und Produktion eingebunden, das für die Herstellung von so vielen erstaunlichen Waren verantwortlich ist. Diese Menschen stehen früh auf, arbeiten schwer, um sich und ihre
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