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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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könntest, Älteste«, antwortete Sonel höflich.
    Cailin hätte Linnea gerne gebeten zu bleiben, aber sie wagte es nicht.
    Mit einem Rascheln ihres silbergrauen Gewands verließ Linnea das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sonel sah sich in dem kleinen Raum um. »Darf ich mich hinsetzen?«, fragte sie und zeigte auf Cailins Bett.
    Das Mädchen zuckte die Achseln und ließ sich wieder neben dem Feuer nieder.
    Abermals mit einem Lächeln - wenn es auch dünner geworden war - setzte sich die Weise hin und legte den Stab quer über das Bett, sodass der leuchtende Stein auf Cailins Kissen zu liegen kam. Sie bemerkte Marcran und kraulte sein Kinn. Der Falke schreckte aus dem Schlaf, und als er Sonels Eule sah, stieß er einen leisen verängstigten Ruf aus. »Dein Falke ist wunderschön«, sagte Sonel leise. »Wie heißt er?«
    Cailin zögerte. Sie hatte erwartet, dass die Eulenweise ihr sagen würde, wie wichtig es sei, Mitglied des Ordens zu werden und seinen Gesetzen zu folgen. Sicher war das doch der Grund, wieso sie hergekommen war? Und Cailin hatte sich bereits entschieden, dass sie nichts sagen würde. Aber auf eine so direkte und harmlose Frage war sie nicht vorbereitet gewesen. »Marcran«, erwiderte sie schließlich kaum lauter als im Flüsterton.
    »Marcran«, wiederholte die Magierin. »Das gefällt mir.« Sie streichelte wieder das Kinn des Vogels, und diesmal reckte er den Hals und schloss die Augen, ganz ähnlich, wie er es tat, wenn Cailin ihn kraulte. »Es macht Spaß, nicht wahr?«, fragte sie nach kurzem Schweigen.
    »Was?«
    »An einen Falken gebunden zu sein«, antwortete Sonel lächelnd. »Mit ihm zu fliegen, ihn jagen zu sehen. Ich liebe es. Du nicht?«
    Cailin nickte und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich habe festgestellt, dass ich die Falkensicht über Stunden hinweg einsetzen kann, ohne müde zu werden«, fuhr die Weise fort und wurde dabei immer lebhafter. »Wenn ich meine Macht auf irgendeine andere Art so lange einsetze, bin ich hinterher vollkommen erschöpft, aber nicht bei der Falkensicht.« Sie schüttelte sehnsuchtsvoll den Kopf und sah ihre Eule an.
    »Was ist die Falkensicht?« Cailin war verlegen, weil sie es nicht wusste.
    »Die Falkensicht lässt einen Magier die Welt durch die Augen seines Vogels betrachten. So kannst du deine Verbindung zu Marcran benutzen, um weiter sehen zu können.«
    Cailin runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«
    »Es ist auch schwer zu verstehen, solange du es nicht versucht hast«, sagte Sonel. »Sagen wir mal, du wolltest etwas oben auf dem Tempelgebäude sehen. Du kannst dich anstrengen, es vom Boden aus zu erkennen, oder aufs Dach klettern. Oder du kannst deine Verbindung zu Marcran benutzen und es sehen, wie er es sieht.«
    »Ich begreife es immer noch nicht.«
    Sonel lächelte. »Warum versuchen wir es nicht einfach?«, schlug sie vor. »Mach die Augen zu und taste mit dem Geist nach Marcran.«
    Cailin tat es und spürte die vertrauten Bilder und Gefühle, die immer in ihrem Kopf waren, wenn sie sich auf die Verbindung mit dem Falken konzentrierte.
    »Jetzt taste weiter«, wies Sonel sie einen Moment später an. »Geh über die übliche Verbindung hinaus, bis du siehst, was er sieht.«
    Cailin war nicht sicher, was die Eulenweise meinte, aber sie versuchte so gut wie möglich, tiefer in die unzähligen Gedanken und Gefühle einzutauchen, die von Marcran zu ihr strömten. Zunächst war das einfach ein großes Durcheinander und fast so verwirrend wie in den ersten Tagen ihrer Bindung. Aber dann kam es ihr beinahe so vor, als spüre der Vogel, was sie suchte. Cailin wurde durch das Durcheinander von Bildern geführt, bis sie sich plötzlich selbst am Boden beim Feuer sitzen sah.
    »Ich habe es geschafft!«, rief sie, und ihr Ausbruch erschreckte Marcran so, dass die Verbindung abbrach. Aber nun wusste sie, was sie tun musste, und einen Augenblick später betrachtete sie sich wieder selbst. »Ich habe es geschafft!«, sagte sie leiser.
    »Schön!«
    Cailin wandte sich der Eulenweisen zu. Oder genauer gesagt, Marcran tat es. Die Weise sah durch die Augen des Vogels seltsam aus: irgendwie verzerrt, aber unnatürlich lebendig. Selbst die Farben waren anders. Marcran wandte den Kopf wieder Cailin zu, der ein wenig schwindlig wurde. Es fiel ihr schwer, die Verbindung aufrechtzuerhalten, und noch schwerer, sich zu orientieren, wenn sie die Welt durch die Augen des Vogels sah. Schließlich öffnete sie ihre eigenen Augen wieder und

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