Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Fantasie.«
Die Blick des Oberlords war kühler geworden. »Willst du damit behaupten, ich wüsste nicht, was ich tue?« »Keinesfalls«, versicherte sie ihm rasch. »Ich bin sicher, dass Savil den Auftrag angemessen ausgeführt hätte. Ich frage mich nur, ob ein solcher Auftrag nicht jemanden braucht, der sich ein bisschen mehr einfallen lässt. Savil war sicherlich unbarmherzig und hat seine Männer dazu gebracht, gute Arbeit zu leisten, aber dieser Auftrag verlangt nach mehr. Die Person, für die du dich schließlich entscheidest, sollte auch kreativ, wagemutig und schlau sein; sie sollte anpassungsfähig genug sein, um mit allen Situationen zurechtkommen zu können, die man jetzt noch nicht vorhersehen kann. Mit anderen Worten, Oberlord«, fuhr sie fort und sah Cedrych dabei direkt an, »sollte es jemand sein, dem du vollkommen vertrauen kannst, diesen Auftrag so auszuführen, wie du selbst es tun würdest, wenn du die Möglichkeit dazu hättest. Meiner Ansicht nach verfügte Savil nicht über diese Eigenschaften. Ich hingegen schon.« »Du magst Recht haben, Melyor«, entgegnete Cedrych in neutralem Ton. »Solche Fähigkeiten wären sicher nützlich, und ich gebe zu, dass du sie in hohem Maß besitzt. Aber es geht bei diesem Auftrag auch um Subtilität und Diskretion. Wer auch immer einen solchen Auftrag ausführt, kann es sich nicht leisten, Beweise liegen zu lassen wie Bonbonpapierchen.«
Bevor sie sich bremsen konnte, zuckte Melyors Blick zu dem Dolch auf Cedrychs Schreibtisch. Vielleicht ging es doch nicht nur um ein Spiel.
Cedrych ließ sich nicht anmerken, dass ihm ihre Reaktion aufgefallen war. »Dieser Anführer kann es sich nicht leisten, übereilt zu handeln oder seine Vernunft von Gefühlen oder Ehrgeiz beeinflussen zu lassen«, fuhr er nun strenger fort. »Gewalt um der Gewalt willen mag da draußen funktionieren« - er machte eine abfällige Geste zum Fenster, zum Nal hin. »Aber hier geht es um Subtileres.«
Melyor biss die Zähne zusammen. Das war so ziemlich genau das, was sie selbst zu Savil gesagt hatte. Und dann hatte sie ihren Dolch neben der Leiche des Nal-Lords auf der Straße liegen lassen. Sie hatte seit Jahren nichts so Dummes mehr getan, bis zu diesem Augenblick - selbstverständlich hatte es gerade jetzt passieren müssen! Sie schüttelte angesichts dieser Ironie den Kopf. Sie war nicht sicher, was Cedrych von ihr erwartete, und nun waren ihre eigenen sorgfältig ausgearbeiteten Pläne für diese Begegnung an einem Dolch gescheitert. Aber sie war schon zu weit gekommen, um nun noch aufgeben zu können. Also nahm sie den einzigen noch offenen Weg.
»Ob du es nun glaubst oder nicht, Oberlord«, sagte sie und kümmerte sich nicht mehr um einen angemessenen Ton, »ich kann diskret und subtil und alles andere sein, was du brauchst. Ansonsten wäre ich jetzt ja wohl nicht hier! Ich will diesen Auftrag, und du solltest mich dafür wollen! Ich bin der beste Nal-Lord, den du hast, und das war gestern so wahr wie heute früh! Jedenfalls wäre ich nie so dumm gewesen, mich in meinem eigenen Bezirk umbringen zu lassen!« Sie hielt entsetzt inne.
Cedrych starrte sie wütend an, die Zähne fest zusammengebissen, die Hände zu Fäusten geballt, die Knöchel weiß. Melyor wusste, dass sie zu weit gegangen war. Sie hatte tatsächlich das Urteilsvermögen des Oberlords in Frage gestellt. Einen Augenblick lang - nicht länger, denn sie kannte Cedrych gut - fragte sie sich, ob diese Unverschämtheit sie das Leben kosten würde.
Aber dann schien sich der Oberlord zu entspannen, er lächelte vielleicht sogar, wenn auch nur sehr kurz. »Es freut mich, dass du das so siehst, Melyor. Es gefällt mir, wenn meine Nal-Lords von ihren Fähigkeiten überzeugt sind.« Er setzte sich wieder in den Ledersessel und faltete die großen, aber schlanken Hände auf dem Schreibtisch. »Um ehrlich zu sein, bin ich überwiegend derselben Ansicht wie du. Und ich gebe zu, dass die Art, wie Savil zu Tode gekommen ist, mich gezwungen hat, noch einmal über meine Einschätzungen nachzudenken.« Er hielt inne, den Blick auf die Hände gerichtet, und schwieg. Es kam Melyor wie eine Ewigkeit vor. Als er dann schließlich weitersprach, verblüfften seine Worte sie vollkommen.
»Du musst einen Stellvertreter auswählen«, sagte er und starrte dabei immer noch seine Hände an. »Jemanden, der die Arbeit leistet und deinen Bezirk nach den Maßstäben führt, an die ich gewöhnt bin.« Er grinste und blickte auf. Wieder allerdings
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