Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
war das Lächeln nur flüchtig. »Aber es muss auch jemand sein, dem du vertrauen kannst«, fuhr er einen Augenblick später fort. »Jemand, der so weitermacht, wie du es willst, und der die Herrschaft ohne einen Kampf wieder abgibt, wenn du zurückkehrst. Gibt es jemanden im Vierten, auf den diese Beschreibung zuträfe?«
Melyors erste Reaktion war Erleichterung und nicht unbedingt Freude, aber die würde noch folgen, das wusste sie. Sie hatte das alles schon so lange geplant. Dann zwang sie sich, diese Gefühle wegzuschieben, und dachte über die Frage des Oberlords nach. Selbstverständlich Jibb. Wer sonst? Sie nickte. »Ja, ich habe jemanden im Sinn.« »Das dachte ich mir«, erwiderte Cedrych. »Wann kannst du mit der Ausbildung beginnen?«
»Ich brauche ein oder zwei Tage, um meine Angelegenheiten zu regeln und meine Männer vorzubereiten«, sagte sie. »Wird das genügen?«
»Nimm dir ruhig drei Tage«, sagte der Oberlord. »Wir haben nicht viel Zeit, aber es wäre mir lieber, wenn du dich vollkommen auf deine Aufgabe konzentrieren kannst und dich nicht um deinen Bezirk sorgen musst.« Er stand auf, und Melyor begriff das als Zeichen, es ihm gleichzutun. Die Besprechung war vorüber. »Ich möchte dich in drei Tagen gleich früh am Morgen hier sehen«, befahl Cedrych. »Wir werden in Einzelheiten über den Auftrag sprechen, und dann bringe ich dich zum Ausbildungszentrum. Meine Sponsoren und ich werden Waffen, Kleidung und Essen stellen, aber wenn du herkommst, solltest du alles andere mitbringen, was du für notwendig hältst. Du wirst für einige Zeit nicht in deinen Bezirk zurückkehren. Sag niemandem, wohin du gehst und was du tun wirst. Sag ihnen einfach nur, du führst einen besonderen Auftrag für mich durch. Hast du verstanden?«
»Jawohl, Oberlord.«
»Gut.« Er lächelte. »Ich freue mich darauf, enger mit dir zusammenzuarbeiten, meine Liebe. Ich glaube, wir werden ein gutes Team abgeben.« Sie ertrug seinen Blick, der länger als nötig auf ihrem Körper verweilte, und musste sich anstrengen, ein unwillkürliches Schaudern zu unterdrücken. Dann gelang es ihr endlich, das Lächeln zu erwidern. »Ich freue mich ebenfalls, Oberlord.«
»Bitte, meine Liebe, nenn mich einfach Cedrych.«
Sie nickte.
Der Oberlord schwieg nun, aber er beobachtete sie, als wartete er auf etwas. Aber es gab nichts mehr zu tun. Also streckte sie lässig die Hand aus und nahm den Dolch vom Tisch. Dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und verließ Cedrychs Wohnung.
6
D ie Kommunikationsgeräte, die Calbyr und seine Leute mit nach Tobyn-Ser nahmen, waren unauffällig, aber primitiv, und gestatteten es Calbyr nur per Code, mit seinen Männern und mir zu kommunizieren. Das war beabsichtigt - Calbyr und ich waren der Ansicht, dass jede weitere Ausrüstung die Verkleidung gefährdete, in der er und seine Männer arbeiteten. Inzwischen habe ich begriffen, dass dies ein Fehler war, denn ich habe aus seinen unklaren Botschaften wenig erfahren. Ich weiß nicht mehr über Tobyn-Ser als zuvor. Ich habe nur eine sehr vage Ahnung davon, wie weit er und seine Leute mit ihrem Auftrag gekommen waren, bevor die Kommunikation abrupt abbrach. Ich weiß nicht einmal sicher, wie weit die anfänglichen Bemühungen zur Unterminierung des Ordens Erfolg hatten.
Ich weiß, dass Calbyr und seine Männer länger als ein Jahr in Tobyn-Ser waren, und seine Meldungen ließen darauf schließen, dass sie überwiegend dem Zeitplan folgten, den wir vereinbart hatten. Darüber hinaus weiß ich nichts. Und dennoch, selbst diese mageren Informationen, verbunden mit meinem anhaltenden Vertrauen in die Strategien, die dahinter standen, überzeugen mich davon, dass die zweite Mannschaft, die ich nach Tobyn-Ser schicke, viel weniger Arbeit haben wird als die erste.
Aus dem Tagebuch von Cedrych i Vran, Oberlord des Ersten Herrschaftsbereichs von Bragor-Nal, Tag 6, Woche 9, im Frühjahr des Jahres 3060.
Jaryd hatte sich auf diese Versammlung gefreut, genau, wie er die drei Versammlungen zuvor unruhig und freudig erwartet hatte, und beinahe so sehr wie auf seine erste, an der er vor vier Jahren noch als Badens Schüler teilgenommen hatte. Beinahe. Nicht, dass er das Ausmaß der Probleme, denen der Orden gegenüberstand, ignoriert oder auch nur unterschätzt hätte, und er war sich auch der Kluft zwischen den Magiern deutlich bewusst. Er hatte keine Illusionen, aber eine tiefe Ehrfurcht vor dem Glanz und der Tradition, die in diesen drei Tagen
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