Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Haus des alten Mannes und nehmen den direkten Weg durch das Dorf, auch wenn das bedeutet, dass sie im Kreis durch den Wald zurückkehren müssen, um den Stab und den Umhang des Magiers zu holen. Der Falke findet sie sofort wieder, fliegt auf Orris' Schulter und reckt den Hals, sodass Orris ihn am Kinn kraulen kann.
»Orris«, sagt Baram.
Der Magier sieht ihn fragend an.
»Dein Name. Orris.«
Orris lächelt dünn. »Ja.«
Als sie dorthin zurückkehren, wo Orris seine Sachen gelassen hat, zieht Baram die Wolljacke an. Sie kratzt, aber sie ist warm, und er ist dankbar dafür.
Die Kälte erinnert ihn an die Winter im Nal, an Feuer in großen Abfallbehältern und daran, wie er mit einer Uestra am Arm aus seiner Lieblingsbar im Zweiten Bezirk kam und rasch durch die Kälte in seine Wohnung zurückeilte. Er erinnert sich in diesen Tagen an immer mehr. Seit dem Fluss sind die Bilder immer klarer geworden und leichter zu deuten. Er weiß nicht, warum. Vielleicht war es der Schreck darüber, beinahe zu ertrinken, oder von dem Magier zu hören, dass sie wirklich auf dem Weg ins Nal sind. Aber was auch immer der Grund sein mag, er kann es sich wieder vorstellen, wie damals, bevor sie ihn ins Gefängnis gebracht hatten. Er kann die glatten, perfekten Gebäude sehen, die sich hoch über die Straßen erheben, und die präzise Biegung der Höhe, die sich über den Bezirk zieht. Er kann das sanfte Surren eines Werfers in der Hand spüren. Wenn er es wirklich versucht, kann er sogar das Zischen eines Getränkespenders hören und das duftende, süße dunkle Bier schmecken.
Er erinnert sich auch an andere Dinge. Namen. Gesichter. Die Dinge, die er getan hat, bevor Calbyr ihn für den Auftrag in Tobyn-Ser auswählte. Und er begreift langsam wieder, was diese Dinge bedeuten und was er tun wird, wenn er wieder zu Hause ist.
Der Magier braucht ihn, das weiß er. Das hat der Magier ihm gesagt. Aber Baram versteht nun, dass das nur die Hälfte war. Du musst mir bei dem helfen, was ich in Lon-Ser tun muss, hat der Magier gesagt. Ich bringe dich zurück, um das Kämpfen zu beenden. Um Frieden zu schließen. Ja. Aber er braucht Baram auch als Führer. Ohne ihn wird der Magier sich im Nal nicht zurechtfinden. Baram grinst finster bei dem Gedanken.
Der Magier hat ihn ernährt und bewacht, und nun, erkennt Baram, als er einen Blick auf die Wolljacke wirft, hat er ihm auch noch Kleidung gegeben. Er hat Baram sogar das Leben gerettet. Aber all das hat er nur aus einem Grund getan: Er braucht Barams Hilfe. Und obwohl Baram akzeptiert hat, dass sie im Augenblick zusammenarbeiten müssen, hat er nicht vergessen, wie es war, bedroht, geschlagen und gefesselt zu werden. Wieder und wieder hat der Magier seine Kenntnis dieses Landes benutzt und mit seiner Zauberkraft gedroht, um Baram zu etwas zu zwingen. Aber bald werden sie in Barams Land sein; sie werden in Bragor-Nal sein. Er gestattet sich ein weiteres Lächeln, denn er weiß, dass Orris hinter ihm geht und es nicht bemerkt.
Dann werden wir sehen, wie du mit meinen Bedingungen zurechtkommst, Sohn Amarids, sagt er zu sich. Dann werden wir sehen, wie du alleine im Nal zurechtkommst.
11
D ie Angriffe durch die Fremden hatten so viele verstörende Aspekte, dass es schwierig ist, einen als furchterregender als die anderen herauszuheben. Die Kraft ihrer Waffen, die unheimlichen Fähigkeiten ihrer »Vögel«, sich wie lebendige Geschöpfe zu verhalten, ihre heimtückische Taktik - all dies ist gleichermaßen beunruhigend. Und dennoch war für mich und für viele, mit denen ich gesprochen habe, ein Bestandteil ihrer gewaltsamen Kampagne herausragend: ihre Vorbereitung. Sie wussten genau, wie sie die Kleidung und die Traditionen von Magiern nachahmen sollten. Sie bewegten sich mit einer Leichtigkeit durch unser Land, die von verblüffender Kenntnis des Geländes zeugt. Sicher hat ihnen der Verräter Sartol dabei geholfen. Aber wenn man Baram glauben darf, haben sie sich erst nach ihrer Ankunft in Tobyn-Ser mit Sartol zusammengetan. Sie haben ihre Vögel, Stäbe und Umhänge schon aus Lon-Ser mitgebracht, und die Grundlagen ihrer Mission waren offenbar bereits festgelegt, bevor sie ihre Heimat verließen. Baram konnte mir nicht sagen, woher seine Auftraggeber so viel über den Orden und Tobyn-Ser wussten, aber aus seiner Beschreibung der intensiven Ausbildung, die sie zuvor erhielten, wird klar, dass unsere Feinde viel mehr über uns wissen als wir über sie.
Aus Kapitel Sieben des
Weitere Kostenlose Bücher