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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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beschloss er, auch Stib-Nal nicht zu erobern. Stattdessen bot er dem Oberhaupt des kleinen Nachbarn von Bragor-Nal einen Handel an: Stib- Nals Unabhängigkeit gegen die Unterstützung im Rat. Der Herrscher von Stib-Nal ging darauf ein - wie hätte er sich auch weigern können? -, und seitdem hatten sich die Herrscherinnen von Oerella-Nal bei allen Entscheidungen in der Minderheit befunden. Und solange die Autonomie von Stib-Nal von diesem Übereinkommen und der jämmerlich kleinen Bergkette abhing, die die winzige Stadt von Bragor-Nal trennte, würde die Matriarchie in der Minderheit bleiben.
    So konnte der Erfolg der Initiative sehr wohl über Melyors weiteren Weg zur Macht in Lon-Ser bestimmen. In der letzten Zeit hatte Melyor allerdings begonnen, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Der Erfolg der Initiative würde Lon-Ser die Herrschaft über Tobyn-Ser verschaffen und die Errichtung einer provisorischen Regierung erfordern. Zumindest nahm sie das an. Cedrych hatte nichts darüber gesagt, aber es schien sinnvoll. Und wer wäre besser geeignet, eine solche Regierung anzuführen, als die Person, die für die Eroberung von Tobyn-Ser verantwortlich war? Von einem solchen Amt aus konnte sie vielleicht einen schnelleren Weg in den Herrscherrat finden. Lon-Sers Provinz auf der anderen Seite von Aricks Meer würde vielleicht schon bald einen eigenen Sitz im Rat haben. Und dieser Sitz konnte ihr gehören.
    Ganz gleich, wie sie an den Status und den Einfluss gelangte, den sie sich so sehr wünschte - sie wusste, dass ihre Mission in Tobyn-Ser der erste Schritt sein würde. Und sie war ebenso überzeugt, dass der Zauberer, der ihr im Traum erschienen war, die Macht hatte, die Initiative aufzuhalten, noch bevor sie wirklich begonnen hatte. Er musste sterben. Aber wie?
    Sie konnte niemandem von ihm erzählen, ohne dabei auch zu gestehen, dass sie zu den Gildriiten gehörte. Und das durfte sie niemandem verraten, nicht einmal Jibb. Die Einzigen, denen sie es je gesagt hatte, waren Menschen wie Savil gewesen, die sie einen Augenblick später getötet hatte. Sie wusste genug über die Geschichte der Gildriiten, um zu begreifen, wie gefährlich es war, anderen davon zu erzählen. Die Orakel waren seit tausend Jahren verfolgt worden, und hier im Nal, wo ohnehin jeder ein möglicher Rivale oder ein Informant der Si^-Herr war, würde es sie in große Gefahr bringen, wenn andere von ihrer Herkunft erfuhren.
    Sie lachte leise und lehnte die Stirn an das kühle Fensterglas. Ihre Herkunft. Selbst sie wusste nichts darüber. Sie war nicht einmal sicher, ob sie das gildriitische Blut ihrem Vater oder ihrer Mutter verdankte, obwohl sie annahm, dass es ihre Mutter gewesen war. Sie hatte ihren Vater ziemlich gut gekannt, wenn sie auch noch klein gewesen war, als er gestorben war, und sie konnte sich an keine Anzeichen für Visionen oder ein solch bedeutsames Geheimnis erinnern. Sie würde es allerdings nie sicher wissen, und es war auch nicht wichtig. Ganz gleich, wessen Geheimnis es einmal gewesen war, nun war es ihres, und sie musste eine Möglichkeit finden, den Zauberer zu töten, ohne sich zu verraten - eine Aufgabe, die durch ihren derzeitigen Auftrag ungemein erschwert wurde.
    Cedrychs riesiges Ausbildungszentrum befand sich inmitten des Ersten Bezirks. Tatsächlich war sie, in Blocks gesehen, nicht so weit vom Vierten entfernt. Aber Entfernung war noch das geringste ihrer Probleme. Cedrych hatte von Anfang an klar gemacht, dass sie im Ausbildungszentrum bleiben musste, bis sie und ihre Männer nach Tobyn-Ser aufbrechen würden. Niemand sollte erfahren, wo sie war und was sie tat. Der Vierte gehörte nun Jibb. Sie hatte nichts mehr damit zu tun. Sich aus irgendeinem Grund mit ihrem Leibwächter in Verbindung zu setzen hätte bedeutet, Cedrychs Befehlen zuwiderzuhandeln und sich den Zorn des Oberlords zuzuziehen.
    Melyor schauderte, als wäre ein kalter Windstoß durchs Zimmer gefegt. Sie würde sehr vorsichtig sein und irgendwie eine Gelegenheit schaffen müssen. Aber wann? Ihre Tage waren voll. Sie standen stets im Morgengrauen auf und begannen den Tag, indem sie vierzigmal um das Zentrum herumliefen - was einer Strecke von zehn Blocks gleichkam. Nach einem schnellen, leichten Frühstück verbrachten sie zwei Stunden mit Unterricht. Hier prägten sie sich die Landschaft von Tobyn-Ser ein, mit Hilfe der Karten, die Cedrychs Spezialisten nach Aussagen von Kaufleuten aus Abborij und von Spionen zusammengestellt hatten, die sich

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