Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
ich denke, es geht Orris ebenso.«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Danke. Ich freue mich auch, euch zu sehen.«
Der erste Sicherheitsmann öffnete die Tür zur Nachbarzelle und winkte Melyor hinein. »Sorge dafür, dass sie sich ordentlich benehmen«, warnte er sie streng und schloss die Tür wieder. »Wir müssen mit unserer Legatin sprechen.« Melyor nickte, und die beiden Männer gingen.
»Du hättest beinahe dafür gesorgt, dass dein Vogel getötet wird«, sagte sie zu Orris. »Weißt du das überhaupt?«
Es freute sie zu sehen, wie er blass wurde.
»Nein«, sagte er leise. »Ich wusste, dass sie wütend waren, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so weit gehen würden.« Melyor strich sich das Haar zurück. »Es überrascht mich, dass sie es nicht getan haben. Wer immer ihnen Befehle erteilt, muss sie angewiesen haben, uns keinen Schaden zuzufügen.« »Warum sollte jemand das tun?«
»Vielleicht aus Neugier«, antwortete sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jeden Tag ein Steinträger, ein Zauberer und eine Frau aus Bragor-Nal in ihren unterirdischen Gängen auftauchen.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir warten«, sagte Melyor und legte sich auf die Pritsche ihrer neuen Zelle. »Ich habe ihnen gesagt, wir seien Gäste der Herrscherin. Vielleicht wird das ja die Aufmerksamkeit der Legatin erregen.«
Einige Zeit geschah nichts. Die drei verbrachten den gesamten Tag und eine weitere Nacht im Gefängnis. Orris hielt sich an Melyors Warnung und verärgerte die Wärter nicht mehr, aber alle drei weigerten sich, Fragen zu beantworten.
»Wir sind Gäste der Herrscherin«, war alles, was Melyor immer wieder sagte. Aber je mehr Zeit verging, desto nervöser wurde sie. Wenn ihr Trick nicht funktionieren sollte, war es durchaus möglich, dass sie lange Zeit hier im Gefängnis blieben.
Am nächsten Morgen kamen schließlich die beiden Gardisten in ihren scharlachroten Uniformen mit vieren ihrer Kameraden zurück, begleitet von einer hoch gewachsenen Frau in einem langen schwarzen Gewand mit passendem schwarzem Kopfputz. Unter dem Tuch hatten sich ein paar Strähnen goldblonden Haars hervorgestohlen und umrahmten ein kantiges Gesicht, das attraktiv, aber streng war, mit blauen Augen und einem breiten Mund. Sie blieb schweigend stehen und sah Melyor und ihre Freunde eine Weile abschätzend an. »Ich bin Legatin Wiercia. Ich werde euch zur Herrscherin bringen.«
Melyor stand auf. Sie konnte kaum glauben, was sie da gehört hatte. »Tatsächlich?«
Die Legatin bedachte sie mit einem verächtlichen Lächeln. »Das wolltet ihr doch, oder?«
»Ja«, antwortete Melyor und versuchte, sich von ihrer Überraschung zu erholen. »Aber ich ...« Sie hielt inne, denn sie wusste nicht genau, wie viel sie verraten sollte. Das Lächeln der Frau wurde intensiver, aber es lag keine Wärme darin. »Aber du hattest erwartet, dass wir deiner Bitte nicht nachkommen würden.«
Melyor spürte, wie ihre eigenen Züge härter wurden. »Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte. Die Behandlung, die uns bisher zuteil wurde, hat nicht dazu beigetragen, unser Vertrauen zur Herrscherin oder ihren ... Bediensteten zu erhöhen.«
»Ich kann mir vorstellen«, erwiderte Wiercia ohne zu zögern, »dass die Behandlung, die euch hier zuteil wurde, erheblich besser ist, als ein Gast von den ... Bediensteten eures Herrschers zu erwarten hätte.«
Melyor funkelte die Frau durch das polierte Stahlgitter wütend an, aber sie schwieg. Was sollte sie auch schon sagen? »Was ist denn los?«, wollte Orris wissen.
»Sie bringen uns zur Herrscherin«, erklärte Melyor. »Einfach so?«, fragte Orris misstrauisch. »Traust du ihr?« Die Frage kam ihr ganz vernünftig vor, obwohl sie sie nicht beantworten konnte. »Glaubst du, es wäre besser für uns, hier zu bleiben?«, erwiderte sie bissiger, als sie vorgehabt hatte.
»Das ist keine Antwort.«
»Ich weiß«, erklärte sie reumütig. »Aber eine andere Antwort habe ich nicht.«
Orris grinste. »Dir ist bloß nichts anderes mehr eingefallen.« »Das ist also der Zauberer«, sagte Wiercia und ging näher zu Orris' Zelle.
»Das hast du wohl an dem Vogel erkannt«, sagte Melyor sarkastisch und nickte zu dem Falken auf Orris' Schulter hin.
Die Legatin antwortete nicht, sondern lächelte nur kühl und wies die Gardisten an, Melyor und ihre Begleiter aus den Zellen zu holen. Dann führte sie die Sicherheitsleute und die Gefangenen auf einem anderen Weg aus dem Gefängnis, der es ihnen gestattete,
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