Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
eine Herrschein inmitten ihres Volkes leben sollte.
Gwilym versuchte dem Leibwächter zuzuhören, aber als Iwan zu Geschichten über Herrscherin Oerellas Nachfolgerinnen überging, fiel es dem Steinträger immer schwerer, sich zu konzentrieren. Selbst so dicht umgeben von den Gardisten, selbst unter dem Schutz von Melyor, die so geschickt mit einem Werfer war, und von Orris, der über solch große Macht verfügte, fühlte sich der Steinträger verwundbar. Und dennoch, er spürte, wie seine Angst langsam einer finsteren Erwartung wich. An dieser Sache war etwas Unausweichliches, das er nun langsam zu begreifen begann. Etwas würde geschehen. Er wusste das nun; es würde nichts nützen, wenn er versuchte, es zu verhindern. Tatsächlich ging es eher darum, die Ereignisse zu beherrschen, auf das vorbereitet zu sein, was auf ihn zukam, und sich nicht davon überraschen zu lassen, welche Gestalt es auch immer annehmen würde.
Und so war er auf seltsame Weise bereit, als der rote Feuerstrahl aus dem Nichts auftauchte, den Hauptmann der Wache frontal traf und ihn auf den Rücken schleuderte, die Vorderseite seiner Uniform schwarz und blutig und immer noch qualmend. Einen Augenblick später war überall Werferfeuer, schnitt durch die warme Luft mit einem Zischen, das Gwilym an Fleisch auf einem Bratrost erinnerte. Ein weiterer Gardist starb bei der ersten Salve, fiel mit einem Flammenkreis, der auf seiner scharlachroten Uniform um den Rand einer tödlichen Wunde flackerte, vor Gwilyms Füße. Fehlschüsse trafen auch mehrere Personen, die auf der Straße unterwegs waren und die nichts mit Gwilym und seine Begleitern zu tun hatten. Im Seeviertel brach das Chaos aus. Überlebende flohen in alle Richtungen.
Iwan brüllte den vier überlebenden Gardisten zu, das Feuer zu erwidern, aber sie schienen ebenso wenig zu wissen, woher das Feuer eigentlich gekommen war, wie Gwilym es wusste. Außerdem waren sie viel zu beschäftigt damit, sich hinter Bäume und parkende Transporter zu ducken, um noch etwas anderes tun zu können. Melyor und Orris hatten ebenfalls Schutz gesucht; sie hockten hinter einem großen schwarzen Transporter. Gwilym eilte zu ihnen, und zu dritt spähten sie vorsichtig durch die Fenster des Fahrzeugs und hofften, einen Blick auf ihre Angreifer zu erhaschen.
Iwan schrie seine Männer weiter an, aber eine zweite Feuersalve brachte ihn mit brutaler Plötzlichkeit zum Schweigen. Gwilym konnte nicht sehen, was mit dem Leibwächter passiert war, aber er nahm an, dass der Mann tot war. »Verteilt euch!«, rief Melyor den verbliebenen Gardisten zu. »Zieht ihr Feuer auf euch, wenn ihr müsst! Wir müssen herausfinden, wo sie stecken.«
Keiner der Männer rührte sich. Stattdessen sahen sie einander an, als wollten sie versuchen einzuschätzen, ob sie ihr gehorchen sollten.
»Macht schon!«, explodierte Melyor und fuchtelte mit der Waffe. »Oder ich bringe euch selbst um!«
Die vier Uniformierten starrten sie einen Augenblick an, als hätte sie den Verstand verloren, dann kamen sie offenbar zu dem Schluss, dass dies durchaus der Fall sein konnte, also taten sie, was sie ihnen gesagt hatte. Sobald die vier begannen, die Stellungen zu wechseln, eröffneten die Attentäter wieder das Feuer.
»Da!«, zischte Melyor und zeigte auf zwei Gassen zu beiden Seiten eines niedrigen Gebäudes auf der anderen Straßenseite. »Sie sind dort neben dem blauen Haus!«, rief sie den Wachen zu. »In den Gassen links und rechts davon!«
Die Gardisten der Herrscherin fühlten sich vielleicht nicht recht wohl dabei, Befehle von Melyor entgegenzunehmen, aber sie konnten nicht bezweifeln, dass Melyor wusste, was sie tat. Es kam Gwilym beinahe so vor, als hätten sie schon zu schießen begonnen, bevor die junge Frau ihren Satz zu Ende gebracht hatte. Melyor feuerte nun ebenfalls in die Gassen hinein, und Orris entsandte Ströme bernsteinfarbener Macht in dieselbe Richtung.
Tatsächlich hatten sich alle so auf die Attentäter auf der anderen Straßenseite konzentriert, dass keiner die vier Männer bemerkte, die sie nun von beiden Seiten mit gezückten Messern angriffen und sich durch die panikerfüllte Menschenmenge drängten. Keiner außer Gwilym, der einen Warnruf ausstieß.
Zwei der Attentäter griffen die Gardisten an, bevor die Männer der Herrscherin reagieren konnten. Die anderen beiden Attentäter kamen direkt auf Gwilym und seine Freunde zu.
Der Steinträger hatte keinen Werfer, und selbst wenn er einen gehabt hätte, hätte er
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