Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
immer noch mit beunruhigender Klarheit daran: wie die riesigen Gebäude der weiter entfernten Blocks in der Mittagssonne geschimmert hatten - genau, wie sie es jetzt taten-, an das Gefühl, als er seinen Stab auf die Straße gestoßen hatte, und an den Anblick seines Steins, dessen Braunton sich in Scharlachrot gewandelt hatte, und schließlich, und das war das Seltsamste und Furchterregendste gewesen, an die Gleichgültigkeit, mit der Gwilym davongegangen war, während sein Stab immer noch von der Wucht vibrierte, mit der er ihn auf die Straße gestoßen hatte.
Die ganze Zeit hatte er versucht, diesen Traum als reine Phantasie abzutun, aber er hatte es besser gewusst. Obwohl seine Eltern ihm zu Beginn dieses Traums nicht erschienen waren, wie das bei Visionen immer der Fall war, hatte er gespürt, dass etwas Wahres daran war, eine Wahrnehmung, die an diesem Morgen bestätigt worden war, als er diese Straße zum ersten Mal vom Transporter aus gesehen hatte. Er war nicht sicher, was das alles bedeutete, aber das schlechte Vorgefühl, das seine Erinnerung an die Vision begleitete, hatte ihn erschaudern lassen, als wäre er gerade nackt in einen kalten Bergwind hinausgegangen.
Der Steinträger hörte, wie Orris etwas sagte, und einen Augenblick später legte ihm Melyor die Hand auf den Arm. »Ist alles in Ordnung, Steinträger?«, fragte sie leise. »Bist du krank? Orris macht sich Sorgen. Er sagt, du siehst blass aus und sagst überhaupt nichts mehr.« Sie zögerte. »Ich mache mir auch Sorgen«, fügte sie schließlich hinzu.
Er legte seine Hand auf die ihre und drückte sie sanft. »Ich bin nicht krank«, sagte er vorsichtig. »Ich ... ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Dieser Ort«, sagte er und zeigte auf die Straße. »Ich habe davon geträumt.« Er sah, wie Melyor blass wurde. Sie ist Gildriitin, erinnerte er sich. Sie versteht, welche Kraft Träume haben können.
»Was hast du gesehen?«, fragte sie kaum lauter als im Flüsterton.
Er lächelte dünn. »Nichts, was ich begreifen könnte«, sagte er. »Ich weiß nicht einmal, ob es eine echte Vision war.« »Aber wir sind hier«, sagte sie und vervollständigte damit seinen Gedanken, »und du erkennst diesen Ort.«
Er nickte widerstrebend.
Sie drehte sich um und sagte etwas zu Orris. Gwilym nahm an, dass sie dem Zauberer berichtete, was er gesagt hatte. Als sie fertig war, sah Orris den Steinträger ernst und nachdenklich an. Offenbar kannte sich der Zauberer mit Visionen aus. Orris sagte leise etwas, und Melyor nickte zustimmend.
»Er sagt, wenn du in den Palast zurückkehren möchtest, dann ist das in Ordnung«, übersetzte Melyor. »Mich stört es auch nicht.«
Gwilym seufzte. »Nein. Ich denke, ihr wisst beide, dass das nicht funktionieren wird. Wenn die Götter beschlossen haben, dass hier mein Schicksal liegt, dann würde eine Rückkehr in den Palast das Unvermeidliche nur verzögern. Wir Gildriiten können nicht vor dem Blick und vor dem, was er uns zeigt, davonlaufen.«
Melyor übermittelte das Orris, der nickte und grimmig lächelte, als er ihr etwas sagte.
»Er meint, ein Gildriite zu sein ähnelt dem Leben eines Zauberers sehr.« Melyor sah Iwan an, der geduldig gewartet hatte, während die drei sich unterhielten. »Wir haben Grund anzunehmen, dass wir hier in Gefahr sein könnten«, sagte sie dem Höfling. »Wir wüssten es sehr zu schätzen, wenn du und die Wachen ganz besonders auf alles Ungewöhnliche achten würdet.«
Iwan nickte. »Selbstverständlich. Möchtet ihr auf das Palastgelände zurückkehren?«
»Nein«, erwiderte Melyor ohne weitere Erklärungen.
»Sehr wohl.« Iwan sprach kurz mit dem Hauptmann der Wache, der seinerseits seinen Männern Befehle gab. Die sechs großen, kräftigen Männer, die zu beiden Seiten der Reisenden gegangen waren, bildeten nun eine engere, rautenförmige Formation mit dem Hauptmann vorn, zwei Männern an jeder Seite und dem sechsten hinter ihnen. Iwan zog seinen Werfer, aber er ging weiter neben Melyor her und erzählte ihr und den anderen die Geschichte des Seeviertels, das einer der ältesten Teile des Nal war, älter noch als die ältesten Blocks. Der See selbst, offiziell als Müttersee bekannt, war noch von Herrscherin Oerella selbst angelegt worden. Die Gründerin von Oerella-Nal war in der Sturmbucht aufgewachsen und später hin- und hergerissen gewesen zwischen dem Bedürfnis, ihre letzten Jahre an einem Ort zu verbringen, wo sie Wasser hören und riechen konnte, und ihrer Überzeugung, dass
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