Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
Cedrych ihn in Erinnerung hatte. Sein rötliches, von silbernen Strähnen durchzogenes Haar war zerzaust, und sein Gesicht war aufgedunsen und blass von Schlafmangel. Du siehst alt aus, Durell, dachte Cedrych zufrieden. Vielleicht wird die Anstrengung, die dein Amt mit sich bringt, doch zu viel für dich. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ein Jüngerer dieses Amt übernimmt.
»Setz dich, Cedrych«, befahl Durell mit tonloser Stimme und riss Cedrych damit aus seinen Gedanken. Das schien dem Oberlord eine ungewohnt barsche Begrüßung zu sein. Er hatte angenommen, sein Gespräch mit dem Herrscher würde der üblichen Routine folgen; er hatte sich nicht einmal gefragt, um was es gehen würde. Aber offensichtlich war das ein Fehler gewesen. Er wurde neugierig. Wortlos setzte er sich in einen opulenten Sessel nahe dem Schreibtisch.
Einige Zeit las der Herrscher weiter in den Papieren. Als er Cedrych schließlich ansah, stand in seinen grauen Augen ein Zorn, wie ihn der Oberlord nur ein- oder zweimal bei ihm gesehen hatte.
»Dieser Brief, den ich gerade gelesen habe, ist von Shivohn«, sagte er.
»Tatsächlich«, antwortete Cedrych eher leichtfertig. »Wie geht es der Zwergenkönigin?«
»Sie ist eine Herrscherin!«, erwiderte Dureil erbost. »So wie ich ein Herrscher bin! Ich erwarte, dass du uns beiden den Respekt erweist, den wir verdient haben.« »Selbstverständlich, Herrscher«, sagte Cedrych beschwichtigend. »Ich bitte um Verzeihung.«
Dureil starrte ihn immer noch wütend an, und die Muskeln an seinem Kinn waren angespannt.
»Du hast also Neuigkeiten von Shivohn, Herrscher?«, drängte Cedrych sanft.
»Du verstehst das, nicht wahr, Cedrych?« Durell ignorierte Cedrychs Frage einfach. »Du begreifst, dass ich der Herrscher bin und du der Oberlord. Nur einer von dreien, wie ich hinzufügen möchte.«
»Selbstverständlich, Herrscher«, versicherte Cedrych. Er machte eine weit ausholende Geste. »Man kann sich nicht in diesem Palast aufhalten und das vergessen«, verkündete er. »Du hast diesem Gebäude deutlich dein Siegel aufgeprägt.«
Der Herrscher nickte. »Es freut mich, dass du das sagst«, meinte er selbstzufrieden.
Wieder musste Cedrych ein Grinsen unterdrücken. Ironie war wirklich nicht die Stärke dieses Mannes.
»Ich wünschte allerdings«, fuhr Dureil fort, »dass du mir mit deinen Taten dieselbe Höflichkeit zeigen würdest wie mit deinen Worten.«
»Oh, ich versichere dir, Herrscher«, warf Cedrych ein, der einfach nicht widerstehen konnte, »dass ich genau das tue.« »Lüg mich nicht an, Cedrych!«, zischte der Herrscher. »Ich bin nicht so dumm, wie du glaubst! Bildest du dir etwa ein, ich wüsste nichts von deiner angeblich so geheimen Initiative?«
Cedrych starrte ihn einfach nur an. Sein Gespräch mit dem Zauberer war eine gute Vorbereitung auf diese Situation gewesen. »Nein, Herrscher. Ich dachte schon, dass du es weißt. Im Nal geschieht nicht viel, was den SiHerr entgeht.« Der Herrscher setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, und er ließ Cedrych dabei nicht aus den Augen. »Wenn du davon ausgegangen bist, dass ich es wusste, warum hast du dann nicht mit mir darüber gesprochen?«
»Aus demselben Grund, wieso du mich nie danach gefragt hast«, erwiderte Cedrych. Es machte ihm nichts aus zu lügen. »So dass die Schuld allein bei mir liegen würde, wenn etwas schief geht.«
»Und wenn du Erfolg hast?«
»Ich werde ganz offen sein, Herrscher. Es ist kein Geheimnis, dass ich hoffe, eines Tages selbst im Goldpalast zu residieren, genau wie Newell und Wildon es wollen. Wenn ich Erfolg habe, wird ganz Bragor-Nal davon profitieren und ...«
»Und du am meisten.«
Cedrych lächelte kühl. »Das scheint mir nur gerecht. Ich habe die Idee gehabt, ich habe die Mittel zur Verfügung gestellt, um den Plan auszuführen. Ich verdiene, davon zu profitieren. Und ich will nicht viel. Ich bitte nur darum, dass du mich, wenn du einmal zurücktrittst, als deinen Nachfolger benennst. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
Durell nickte. »Vor ein paar Tagen hätte ich diesen Bedingungen ohne Zögern zugestimmt.«
Vor ein paar Tagen ... Cedrych spürte einen seltsamen Druck in der Brust, als umklammere jemand sein Herz. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte er und musste sich anstrengen, nicht aufzubrausen. »Was hat sich inzwischen verändert?«
Durell hielt Shivohns Brief hoch. »Ich sehe, deine Initiative ist nicht das einzige Unternehmen, in das du in der letzten Zeit
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