Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
hatten, Jibb war nicht sonderlich erfreut darüber.
»Wie würde es dir gefallen, für mich zu arbeiten, Maus?«, fragte Melyor. »Oder genauer gesagt, möchtest du gerne für Jibb arbeiten?«
»Die SiHerr?«, fragte die Gildriitin verblüfft. »Du willst, dass ich für die SiHerr arbeite?«
Die Herrscherin hob die Hand. »Hör mich an, bevor du einen Entschluss fasst. Ich möchte eine neue Einheit der SiHerr ins Leben rufen, die dem Schutz der Gildriiten dient. Sie sollte mit dem Netzwerk zusammenarbeiten.« Sie sah Premel an. »Ihr beiden würdet diese Einheit zusammen leiten, Premel von der SiHerr und du vom Netzwerk her. Es wäre eine Partnerschaft unter Gleichen.« Melyor sah die beiden erwartungsvoll an wie ein Kind beim Lonfest, das daraufwartet, endlich die Geschenke auspacken zu dürfen. »Und?«, fragte sie. »Was meint ihr?«
Maus holte tief Luft. »Ich für die SiHerr arbeiten? Ich weiß nicht.«
»Du würdest auch fürs Netzwerk arbeiten, Maus. Du würdest jeden Tag mehr für die Gildriiten von Bragor-Nal tun können als in einem ganzen Leben als Gesetzesbrecherin.« »Warum tust du das?«, fragte Maus. »Warum willst du mir diese Stelle geben?«
Der Hauch eines Lächelns zuckte über Melyors Lippen. »Ich tue es, weil ich es tun kann. Ich denke, ich habe endlich eine Möglichkeit gefunden, die Gildriiten von Bragor-Nal zu beschützen. Und ich möchte dich für diese Aufgabe, weil ich das Gefühl habe, dich in den letzten Wochen ein bisschen kennen gelernt zu haben. Ich habe gesehen, wie du arbeitest, wie du mit einem Werfer umgehst. Ich denke, du bist der Aufgabe gewachsen.« Sie zögerte, aber nur einen Augenblick. »Ich bin auch der Ansicht, dass ich es dir schuldig bin. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.« Sie grinste. »Und seit einiger Zeit auch deine Offenheit.«
Maus lächelte zögernd, wurde aber sofort wieder ernst. »Kann ich andere vom Netzwerk rekrutieren, um mir zu helfen?«
»Selbstverständlich.«
»Und ich habe vollständige Autorität über die, die ich rekrutiere? Du und die SiHerr werden sich nicht einmischen?«
Die Herrscherin warf Jibb einen Seitenblick zu. »Sie klingt ganz wie du.«
Jibb schnaubte. Es war vielleicht ein Lachen, aber das war schwer zu sagen. Seine Miene blieb säuerlich.
»Du hast das Kommando über deine Rekruten, aber auf der anderen Seite übernimmst du auch die Verantwortung für das, was sie tun. Und wenn sie etwas falsch machen, wirst du dafür den Kopf hinhalten.«
»Und ich werde mit Premel zusammenarbeiten?«, fragte Maus und sah ihn an.
»Ja«, sagte Melyor.
Maus zog die Augenbrauen hoch und betrachtete Premel abschätzend. »Damit kann ich leben«, sagte sie schließlich. »Also gut.«
Die Herrscherin lächelte abermals und nickte. »Das freut mich. Was ist mit dir?«, fragte sie an Premel gewandt.
Premel seinerseits sah Jibb an, bis der General endlich seinem Blick begegnete. »Du bist damit einverstanden?« Jibb verzog das Gesicht und seine dunklen Augen flackerten. »Zählt das denn?«
»Ja. Wenn du mich nicht mehr in den SiHerr willst, werde ich gehen.«
Jibb starrte ihn einige Zeit an, dann wandte er den Blick wieder ab. »Ich weiß nicht, was ich will. Ein Teil von mir sähe dich gern im Gefängnis. Ein anderer Teil wünscht sich einfach nur, dass das alles nie geschehen wäre und dass du mein Oberst bleiben könntest.«
Premel schwieg. Er wartete.
»Das Problem ist, dass ich dir nicht mehr traue, Premel. Ich glaube nicht, dass ich dir je wieder trauen kann. Aber Melyor tut das, und sie ist meine Herrscherin. Also denke ich, ich muss ihre Entscheidung akzeptieren.«
»Das genügt nicht, Jibb«, sagte Melyor, bevor Premel etwas erwidern konnte. »Das habe ich dir schon in meinem Büro gesagt. Ich bin vielleicht nicht immer deine Herrscherin, und ich muss wissen, dass dieses Arrangement noch lange Bestand haben wird, nachdem ich weg bin.«
»Das hast du nie gesagt«, flüsterte Jibb und wurde bleich. »Du hast nie so etwas gesagt!« Er schüttelte den Kopf. »Was würde dich davon abhalten, weiter Herrscherin zu sein?« Melyor zuckte die Achseln, und diesmal war sie diejenige, die den Blick abwandte. »Ich bin nicht sicher. Ich weiß nur, dass ich nicht mein ganzes Leben Herrscherin sein will. Es gibt noch andere Dinge.«
Selbst Premel, der sie nicht sehr gut kannte und der noch weniger über die Ereignisse wusste, die dazu geführt hatten, dass sie Herrscherin wurde, erkannte, wovon sie sprach. Der Zauberer. Sie wollte mit
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