Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
kann nicht von dem Herrscher eines einzelnen Nal bestraft werden. Ich brauche bei allem Wiercias Zustimmung, und obwohl Stib-Nal im Rat wenig zu sagen hat, hätte dessen neuer Herrscher legitimen Grund zum Widerspruch, wenn irgendetwas, was wir tun, gegen den Vertrag verstößt.«
»Ihr werdet ihn also doch ins Exil schicken?«
Melyor seufzte und schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Ich kenne Marar, und ich denke, es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis er wieder Ärger machen würde.«
»Klingt, als hättest du ein Problem«, sagte Maus. »Ich bin froh, dass ich nicht Herrscherin bin.«
Es klopfte an Melyors Tür, und einen Augenblick später streckte Jibb den Kopf ins Zimmer.
»Können wir -?«Als er Maus sah, hielt er inne und runzelte die Stirn.
»Ich wollte gerade gehen«, sagte die Gildriitin und grinste Jibb spöttisch an, als sie auf die Tür zuschlenderte. »Geh nicht zu weit weg«, rief Melyor ihr nach. »Ich möchte gerne später noch mit dir sprechen.«
Maus nickte. »In Ordnung. Bis später, General«, sagte sie, als sie an Jibb vorbeiging.
Der Sicherheitsmann starrte ihr eine Sekunde hinterher, dann schloss er die Tür. »Es gefällt mir nicht, dass sie sich frei im Palast bewegt«, sagte er. »Wer weiß, was sie hier über das Sicherheitssystem in Erfahrung bringt?«
Melyor hätte beinahe gelacht. Gut, es war die Aufgabe eines Sicherheitsmannes, misstrauisch zu sein, aber manchmal fragte sie sich, ob Jibb überhaupt fähig war, irgend jemandem zu trauen. Er hat Premel vertraut, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Und du hast gesehen, was geschehen ist. Also war es vielleicht doch nicht so komisch. »Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen«, sagte sie in neutralem Ton. »Wenn sie etwas hätte anstellen wollen, hätte sie es auf dem Weg nach Stib-Nal oder in Marars Palast oder seitdem ein halbes Dutzend Male tun können.«
»Das stimmt«, antwortete er, aber er klang nicht überzeugt. »Komm schon, Jibb. Sie hat uns nach Stib-Nal gebracht, genau wie sie es versprochen hatte, und sie hat so gut und loyal gekämpft wie deine Männer. Hat sie sich dadurch nicht ein wenig Vertrauen und Respekt verdient?« »Wahrscheinlich.« Er setzte sich in den Sessel, der Melyors gegenüberstand. »Sie kann mit dem Werfer umgehen, und sie ist mutig.«
Melyor zog eine Braue hoch. Das war wirklich höchstes Lob. »Sieht so aus, als hätte sie dich beeindruckt.«
Er winkte ab. »Das heißt nicht, dass ich sie mag. Sie ist unverschämt und dreist, und ich habe etwas dagegen, wie sie mit dir spricht. Ich bin nicht sicher, warum du das zulässt.«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem Nal-Lords es zugelassen haben, als ich jünger war, und aus dem gleichen Grund, weshalb ich es zugelassen habe, als wir uns begegnet sind. Ich sehe ihr Potenzial; ich sehe Qualitäten in ihr, die verfeinert werden können.«
Er zuckte die Achseln, als wäre er nicht so recht überzeugt. »Mag sein.« Und dann fügte er grinsend hinzu: »Und ich war nie so schlimm.«
»Du warst vielleicht nicht so unausstehlich wie sie, aber doppelt so arrogant.«
Beide lachten, dann schwiegen sie einen Augenblick. »Ich verstehe, dass du sie nicht magst«, sagte Melyor schließlich. »Aber glaubst du, du könntest mit ihr arbeiten?«
»Wie bitte? Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch.«
»Du willst sie in die SiHerr holen?«
Die Herrscherin holte tief Luft. »Ich weiß nicht, was ich im Sinn habe. Ich muss zugeben, dass ich noch nicht genau darüber nachgedacht habe. Aber sie hat Talent, Jibb. Und das ist da draußen im Nal verschwendet. Sie könnte mehr sein als eine Unabhängige, die sich mühsam in den Blocks durchschlägt.«
»Das ist ihre eigene Entscheidung, und das weißt du. Und als Unabhängige kann sie mehr fürs Netzwerk tun als jemals in irgendeiner Bande.«
»Und wenn sie für die Herrscherin arbeitet, könnte sie noch mehr tun.«
Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und lehnte sich dann zurück. »Aha«, sagte er leise.
»Könntest du eine Stelle für sie finden?«
Der General lächelte, und Melyor wusste, dass er sich darum kümmern würde. Wann war er je in der Lage gewesen, ihr etwas zu verweigern? »Lass mich darüber nachdenken.«
»In Ordnung.« Sie schaute ihn weiter an und wartete. Er war zu ihr gekommen, und sie wusste, warum. Aber sie hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, dass sie es Jibb überlassen würde, dieses Gespräch zu beginnen.
Der Sicherheitschef räusperte sich. »Es gibt noch eine
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