Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
andere Sache, über die wir sprechen müssen«, sagte er schließlich. »Nachdem wir uns jetzt um Marar gekümmert haben, müssen wir überlegen, was wir mit Premel anfangen.« »Jibb -«
Er hob die Hand. »Ich weiß, was du sagen willst. Du hast ihm verziehen, und du hast gelernt, ihm wieder zu vertrauen. Aber ich nicht, Melyor, und ich bin derjenige, der jeden Tag mit ihm zusammenarbeiten muss. Er hat uns verraten, er hat dafür gesorgt, dass du beinahe getötet wurdest, er ist zum Teil verantwortlich für den Tod dreier meiner Männer und die Verwundung mehrerer anderer. Ich kann das nicht ignorieren, und ich kann nicht so tun, als ob es nicht geschehen wäre.« Jibb wandte einen Moment den Blick ab. Melyor sah, dass seine Hände zitterten. »Er hat es verdient, hingerichtet zu werden«, fuhr der General fort. »Aber zumindest sollte er ins Gefängnis kommen.«
»Also sollen wir einfach vergessen, dass er dir das Leben gerettet und eine wichtige Rolle bei unserem Sieg über Marar gespielt hat?«
Er antwortete nicht.
»Das kann ich nicht, Jibb. Ebenso wenig, wie du über seine Verbrechen hinwegsehen kannst, kann ich darüber hinwegsehen, dass er dafür gebüßt hat.«
»Mein Leben zu retten bringt die Männer, die bei dieser Explosion gestorben sind, nicht zurück!«
»Das weiß ich«, sagte sie leise.
Jibb starrte seine Hände ein paar Sekunden lang an und holte tief Luft. »Ich stelle dir nicht gerne ein Ultimatum, Herrscherin. Ich denke, das weißt du. Aber wenn du darauf bestehst, dass Premel dort bleibt, wo er ist, werde ich die SiHerr verlassen. Ich kann nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.«
Und in diesem Augenblick hatte sie eine Idee. Es gab eine Möglichkeit, sie alle zufrieden zu stellen und dafür zu sorgen, dass alles, wofür Melyor sich eingesetzt hatte, weitergeführt würde.
»Und was, wenn du nicht mit ihm zusammenarbeiten müsstest?«, fragte sie.
Er starrte sie an, eine Frage in den dunklen Augen. Und Melyor lächelte.
Premel hatte die Männer heute ein paar Minuten früher aus dem Training entlassen. Er hatte gesehen, wie Jibb ins Büro der Herrscherin gegangen war, und aus der Art, wie der General ihn angestarrt hatte, geschlossen, dass er das Thema ihres Gesprächs sein würde. Wahrscheinlich würde dies sein letzter Tag als Offizier der SiHerr sein. Morgen würden alle wissen, dass er ein Verräter war, also dachte er, er könnte den Männern heute zumindest einen leichten Morgen bereiten. Vielleicht würde das die Reaktionen ein wenig gnädiger ausfallen lassen. Er schüttelte den Kopf und lächelte grimmig. Wahrscheinlich nicht.
Er war immer noch allein auf dem Trainingsgelände und in Gedanken versunken, als die junge Gildriitin ihn entdeckte und nach ihm rief.
Premel dachte einen Augenblick daran, eine Ausrede zu benutzen und sich in sein Quartier zurückzuziehen, aber trotz ihrer seltsamen Art und der Tatsache, dass ihr erstes Gespräch in den Ausläufern der Grünwasserberge schlecht geendet hatte, mochte er die Frau. Außerdem war dies nicht der Zeitpunkt, mögliche Freunde zu entmutigen. »Was machst du hier draußen?«, fragte sie, als sie näher kam. »Wo sind die anderen?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe sie heute ein bisschen früher aufhören lassen. Mir war so großzügig zumute.« Er versuchte zu lächeln, aber in seiner derzeitigen Stimmung wollte ihm das nicht recht gelingen.
»Melyor lässt dich also immer noch die Gardisten ausbilden?«
Premel kniff die Augen zusammen. »Was meinst du mit immer noch ?«
»Nichts«, erwiderte sie und wurde bleich. »Ich dachte -« »Sie hat es dir also gesagt.« Er wandte sich ab und schüttelte den Kopf. »Ich kann es einfach nicht glauben, dass sie es dir gesagt hat.«
»Niemand hat mir irgendwas gesagt, Premel. Aber ich war dabei, als Melyor Marar in seinem Palast verhört hat. So habe ich es erfahren.«
Der Sicherheitsmann warf ihr einen wütenden Blick zu, und er wünschte sich, dass er glauben könnte, was sie sagte.
»Ich sage dir die Wahrheit. Melyor hat mir nichts verraten. Tatsächlich hat sie mich schwören lassen, dass ich das Geheimnis bewahre.« Sie zuckte die Achseln und dann grinste sie. »Ich wäre nur nie darauf gekommen, dass ich es auch vor dir bewahren müsste.«
Bei dieser Bemerkung musste er einfach lächeln. »Palastpolitik ist manchmal ein wenig verwirrend.«
»Mag sein«, sagte sie immer noch grinsend. Ihm fiel auf, dass dies das erste Lächeln war, das er je bei ihr gesehen hatte. »Warum
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