Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
und riss ihm einen Schrei aus der Kehle. Golivas schrie ebenfalls und landete neben dem Eulenmeister auf dem Boden, als wäre sie zu schwach, um noch fliegen zu können. Aus irgendeinem Grund war Baden immer noch am Leben; offenbar hatte sein Schild doch den größten Teil des Feuers absorbiert. Aber als Phelan seinen Stab abermals hob, um zuzuschlagen, wusste er, dass der nächste Schlag der letzte sein würde.
Er tastete nach Golivas, aber ihr war nichts mehr geblieben, was sie ihm geben konnte. Statt also letzte Macht von ihr zu beziehen, berührte er einfach nur ihren Geist. Danke, meine Liebste, sendete er, für deine Kraft und deinen Mut. Sie sendete ein Bild der Nordebene, von einer Stelle, von der aus man schon Tobyns Wald am Horizont erkennen konnte. Ihr Bindungsort. Ich erinnere mich ebenfalls. Ich habe dich mehr geliebt als jede andere. Behalte das in Erinnerung, wenn ich gehe.
Dann schloss Baden die Augen und wartete auf den tödlichen Schlag.
Sie hatte Fehler gemacht im Leben, die Götter wussten das. Sie war manchmal arrogant gewesen, hatte jene verächtlich abgetan, die keine Magier waren, und hatte mit weniger intelligenten, weniger mutigen, weniger entscheidungsfreudigen Menschen kaum Geduld gehabt. Sie hatte die, die sie liebten, nicht immer freundlich behandelt, und vielleicht hatte sie als Ergebnis davon wenige Freunde gehabt. All das hatte sie seit einiger Zeit gewusst, aber sie hatte wenig unternommen, um sich zu verändern. Es liegt an dem, was mir zugestoßen ist, hatte sie sich immer wieder gesagt, obwohl sie wusste, dass dies eine jämmerliche Ausrede war. Es liegt an Wasserbogen. Aber Tammen konnte sich nichts vorstellen, was sie getan haben könnte, um ein solches Schicksal zu verdienen. War es, weil sie gestattet hatte, dass Nodin sie liebte, obwohl sie seine Liebe nicht erwiderte? Genügte das, um ein solches Schicksal herabzubeschwören? Oder lag es nur daran, dass sie sich entschieden hatte, Sartol trotz Henryks Warnungen und Nodins Bedenken zu vertrauen?
Nachdem Sartol sie übernommen hatte, hatte sie diese Fragen ununterbrochen in ihrem Kopf wiederholt. Zuerst hatte sie sich vergeblich bemüht, sich zu befreien, und dabei feststellen müssen, dass Sartols Macht über sie vollkommen und undurchdringlich war. Diese Fragen waren die einzige Möglichkeit gewesen, ihre Verzweiflung und ihr Selbstmitleid zu äußern. Später, als Sartols Missbrauch weiterging, als er begonnen hatte, sie zu berühren - sie zu zwingen, sich selbst zu berühren, auf eine Weise, die sie sich nie hätte vorstellen können -, nutzte sie diese Fragen zur Flucht, als könnte es helfen, die Götter nach dem »Warum?« zu fragen, um zu vergessen, was gerade mit ihr geschah. Erst, nachdem er - sie? - Hywel im Wald unterhalb der Parnesheimberge getötet hatte, hatte sie aufgehört, sich Fragen zu stellen, und ihren Geist vollkommen abgeschlossen. Nachdem Sartol die Kehle dieses Mannes mit ihrer Hand zerdrückt hatte, hatte er Tammens Verzweiflung gespürt. »Das sollte dir nicht neu sein«, verspottete er sie wieder. »Du hast Henryk umgebracht, erinnerst du dich? Und Nodin.«
Selbstverständlich hatte sie es nicht vergessen. Aber bei all dem, was danach geschehen war, hatte sie sich noch nicht der Trauer überlassen, die sie nun überfiel. Hywel zu töten schien das Entsetzen darüber zurückzubringen, was sie Nodin angetan hatte.
Er war dein Geliebter!, sagte Sartol vergnügt und zwang die Erinnerungen ihrer Nacht mit Nodin wieder und wieder in ihren Kopf. Wie wunderbar!
Sie kämpfte gegen die Bilder dieser Nacht mit Nodin an und dann gegen die Vision, wie er wild auf die Flammen eingeschlagen hatte, die seinen Körper in der folgenden Nacht verzehrten, und schließlich schloss sie ihren Geist gegenüber allem ab. Es gab kein Entkommen für sie. Das wusste sie jetzt. Und wenn das, was Sartol ihr in der ersten Nacht auf der Nordebene gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, würde es auch keinen Tod geben. Was bedeutete, dass sie dies für den Rest der Zeit ertragen musste, als wäre sie selbst eine Unbehauste.
Dann wäre es besser aufzugeben, ihren Geist davontreiben und welken zu lassen wie Herbstlaub, das von einer Windbö vom Zweig gerissen wird, besser als weiterzukämpfen, nur um zu leiden und immer wieder besiegt zu werden. Du kannst nicht gegen mich ankämpfen, hatte Sartol ihr in der Nacht gesagt, als er in ihren Geist und Körper eingedrungen war. Dieser Körper gehört jetzt mir. Wie oft hatte er ihr
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