Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
Magier waren kaum im Stande, sich selbst zu verteidigen, wie konnte man da von ihnen erwarten, dass sie auch noch den Ältesten und seine Männer schützten? Und obwohl Tammen einmal gegen die Tempel gekämpft hatte, bekümmerte es sie, Brevyl und seine Männer sterben zu sehen. Dann wandten sich die Geister ganz den Magiern zu, und Tammens Trauer wurde zur Qual. Denn es war klar, dass die Magier keine Chance gegen Sartols Geisterarmee hatten. Innerhalb von Augenblicken waren mehrere alte Eulenmeister gefallen, unfähig, genug Macht heraufzubeschwören, um sich zu schützen. Einige wurden von Flammen verzehrt und schrien vor Schmerz und Angst. Andere waren mit solcher Kraft getroffen worden, dass sie schweigend zu Boden sanken.
Halte ihn auf, sagte Theron zu ihr. Nur du hast die Macht.
Ich habe keine Macht, wollte - Doch, du hast sie!
Tammen rang mühsam darum, sich zu beherrschen. Irgendwie hatte Theron sie hören können. Sie hatte mit ihm gesprochen, und er hatte es gehört. Sie begriff, dass sich Sartol so sehr auf den Kampf konzentrierte und darauf, die Handlungen jedes Geistes in seiner Armee zu beherrschen, dass er sie ignorierte. Er hielt sie immer noch umklammert. Sie konnte sich nicht bewegen und nicht laut sprechen. Zweifellos konnte sie ihn nicht abschütteln. Aber vielleicht konnte sie irgendetwas tun.
Wie?, sendete sie.
Abermals hatte Theron sie wie durch ein Wunder gehört.
Dein Ceryll, war alles, was er sagte.
Sie verstand.
Was ist das? Sartols Stimme. Plötzlich war er sich des Gesprächs, das Tammen mit dem Eulenmeister geführt hatte, bewusst geworden, und er versuchte, sie wieder zu ersticken.
Aber es war zu spät. Sie griff mit dem Geist nach ihrem Ceryll, spürte den Fluss von Sartols Macht von seinem Bindungsort zu ihrem Stein und ergoss alle Macht, über die sie immer noch verfügte, in den Kristall, so ähnlich, als wollte sie ihn zum Leuchten bringen. Sie war ungebunden - dafür hatte Sartol schon lange gesorgt -, und ihre Macht war beschränkt. Wenn Sartol nicht von dem Kampf abgelenkt gewesen wäre, wäre sie nicht einmal im Stande gewesen, auch nur das zu tun. Aber er hatte sie einen Augenblick zu lange ignoriert, und trotz allem, was geschehen war, war es immer noch ihr Ceryll. Abrupt versiegte der Fluss von Sartols Magie.
Sie hörte, wie er vor Zorn laut aufschrie. Sie sah, wie die Armee unbehauster Magier inmitten des Kampfes innehielt und sich dann zu ihr umwandte. Sie spürte, wie Sartol mit der Macht, über die er immer noch verfügte, auf ihren Geist eindrosch, mit der Macht, die von dem durchsichtigen Falken auf seiner Schulter kam, und sie schauderte vor Schmerz. Aber es war nicht so wie zuvor.
Dafür werde ich dich umbringen!, schrie er sie an. Ich werde dich vernichten!
Du hast mich schon vor langer Zeit getötet, du Mistkerl!, antwortete sie, und sie wusste, dass er sie hören konnte, dass seine Macht über sie nicht mehr war, was sie einmal gewesen war. Und jetzt habe ich dich vernichtet.
Die Müdigkeit in ihren Armen und Schultern war unerträglich. Ihre Muskeln zitterten, und Schweiß rann aus ihren Poren wie Regen aus einer Gewitterwolke. Die beiden Geister griffen sie gnadenlos an, wechselten sich dabei ab, so dass sie keine Gelegenheit hatte, sich auszuruhen. Rithel war stark, viel stärker, das musste Cailin zugeben, als ihr geliebter Marcran je gewesen war. Aber selbst der große Adler würde das nicht ewig durchhalten können, ebenso wenig wie sie selbst. Und dennoch, obwohl ihr ganzer Körper schmerzte und ihr Geist von den endlosen Schlägen taub wurde, konnte sie kaum etwas tun.
Als die Geister ihren Angriff plötzlich einstellten, vermutete Cailin dahinter einen Trick. Aber dann hörte sie Sartols unartikulierten Schrei und wusste, dass etwas geschehen war.
Die Geister drehten sich zu Tammen um, gingen auf sie zu, und Cailin folgte ihnen misstrauisch.
Theron hatte sich wieder erhoben, und als er Cailin sah, winkte er sie zu sich.
»Komm, Adlermeisterin! Wir haben nicht viel Zeit!« »Sie geht nirgendwohin!«, sagte Sartol und richtete Tammens Stab auf sie.
Cailin hob den Stab und wollte einen Schild errichten. »Keine Angst«, sagte Theron. »Wir kümmern uns um den Verräter.«
Und in diesem Augenblick errichteten die unbehausten Geister, die einen Moment zuvor noch Sartols Befehlen gefolgt waren, eine Mauer aus schimmernder vielfarbiger Macht, die sich vom Marmorboden der Großen Halle bis zu ihrer Kuppeldecke erstreckte. Sartol, der inmitten
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