Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
dass sie tatsächlich exakt dort herauskamen, wo sie sein sollten. Der Nal-Lord war vollkommen sprachlos.
»W-wie ...?«, wandte er sich im Flüsterton an Jibb.
Der General zuckte die Achseln. »Sie ist eben Melyor i Lakin«, sagte er, als könnte das alles erklären.
Honid gab sich damit nicht zufrieden.
»Sie behauptet, es gäbe hier ein Muster.«
»Ein Muster? Ich habe nie eines feststellen können.«
»Ich auch nicht. Offenbar wiederholt es sich etwa alle sechs Blocks. Es geht also hauptsächlich darum herauszufinden, wo man sich innerhalb des Musters befindet, und dann den Überblick über seinen weiteren Weg zu behalten.«
Der Nal-Lord schüttelte den Kopf. »Ein Muster«, sagte er noch einmal. »Wahrscheinlich ist sie deshalb Herrscherin.« Jibb lachte. »Jetzt kannst du dir vielleicht vorstellen, wie es mir jeden Tag geht.«
Sie warteten an der Tür zur Gasse, bis Melyors Transporter beinahe eine weitere Stunde später in Sicht kam. Sie sahen sich noch einmal um, um sich zu überzeugen, dass niemand sie bemerkt hatte, dann eilten sie zu dem Fahrzeug und stiegen rasch ein.
»Los!«, rief Melyor dem Fahrer zu, noch bevor Jibb die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Der Transporter fuhr an, schoss aus der Gasse heraus, und einen Augenblick später waren sie schon wieder auf dem Weg zur Höhe und zum Goldpalast.
»Berichte«, befahl die Herrscherin, als sie sich zurücklehnte. »Ist alles gut gegangen?«
»Es sieht zumindest so aus«, erklärte Premel ein wenig überrascht. »Ich habe genau getan, was du mir gesagt hast. Niemand hat meinen Anspruch auf die SiHerr bezweifelt, und ich glaube, sie sind alle auf die Geschichte hereingefallen. Dob war eine große Hilfe. Er war sehr überzeugend.« Er warf Honid einen Blick zu. »Eine kleine Änderung des Plans?«
»Das braucht dich nicht zu beunruhigen«, antwortete Melyor. »Honid braucht für die nächsten Tage ein Versteck.« »Ist meine Wohnung versiegelt?«, fragte der Nal-Lord. »Ja, und deine Männer haben mir versichert, dass sie sie bewachen werden.«
Honid nickte, obwohl er ein wenig nervös wirkte. Jibb konnte das verstehen. Trotz aller Veränderungen im Nal ließ kein Nal-Lord seine Wohnung oder seinen Bezirk gern lange allein. Selbst die vertrauenswürdigsten Gesetzesbrecher verrieten unter solchen Umständen hin und wieder ihre Oberherren.
»Und jetzt?«, fragte Premel Melyor.
»Wir reden im Palast weiter«, sagte sie mit einem raschen Seitenblick zu Honid. »Im Augenblick sollte es genügen, dass wir damit anfangen, die Gerüchte zu verbreiten. Verstehst du, was ich meine?«
Premel wurde deutlich bleicher. »Jawohl, Herrscherin.« Der Rest der Fahrt zurück zum Goldpalast verging ohne weitere Gespräche. Honid und Premel waren offenbar tief in Gedanken versunken, und obwohl Jibb gerne mit Melyor über Marar gesprochen hätte und über die Pläne, die sie bezüglich Premels hatten, wenn all dies vorbei war, konnte er die Angelegenheit ja wohl kaum vor den beiden anderen Männern erwähnen.
Nachdem sie am Palast eingetroffen waren, schlichen sich Melyor, Jibb und Honid durch einen Luftschacht nach drinnen. Premel benutzte den Haupteingang. Melyor und Jibb brachten Honid in ein kleines Zimmer im Tiefparterre und gingen dann zu Premels Zimmer, von wo aus der Gardist sich sofort mit Marar in Verbindung setzen sollte. »Was soll ich ihm sagen?«, fragte Premel. Er sah ziemlich verängstigt aus.
»Das haben wir doch alles schon besprochen, Premel. Es wird nicht schwer sein. Sag ihm einfach nur, dass Jibb und ich tot sind, verlange dein Gold und beende das Gespräch. Nichts könnte einfacher sein.«
Bei diesen Worten lächelte der Gardist ebenso wie Jibb.
Es würde vielleicht für Melyor einfach sein, so wie ihr auch alles andere leicht fiel. Aber trotz seiner Verachtung für Premel tat Jibb sein alter Freund nun auch ein wenig leid. Er hätte dieses Gespräch auch nicht fuhren wollen, vor allem nicht, wenn seine Herrscherin und sein Kommandant direkt auf der anderen Schreibtischseite saßen. »Also gut«, sagte Premel, ebenso zu sich selbst wie zu Melyor. Er beugte sich vor und drückte Marars Code. »Premel«, unterbrach ihn Melyor.
Er blickte auf und wartete.
»Sieh zu, dass du dabei ein wenig Spaß hast. Ganz gleich, was hinterher geschieht - das hier ist deine Gelegenheit, dich an diesem Mann zu rächen.«
Premel nickte. Dann wandte er sich wieder dem Schirm zu und tippte des Rest des Codes ein.
Jibb und Melyor saßen schweigend
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