Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
verlockend vorkommen.
Also ging er zu seinem Schreibtisch zurück, drückte auf den Knopf mit Wiercias Code und lehnte sich zurück. Einen Augenblick später erschien ihr Bild vor ihm.
Er kämpfte gegen sein Lächeln an. Es wäre unangemessen, allzu erfreut zu wirken. »Guten Tag, Herrscherin.«
»Hallo, Marar.« Sie schien alles andere als erfreut. »Ich hoffe, es geht dir gut.«
»Ja. Was willst du?«
»Du hast es noch nicht gehört?« Es fiel ihm wirklich schwer, eine gleichmütige Miene zu bewahren.
Sie beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Was gehört?«
»Melyor ist tot.«
»Was?«, flüsterte sie. Sie schüttelte den Kopf. »Wie ist das passiert?« »Ich glaube, sie ist bei einem Feuergefecht umgekommen. Es ging um einen abtrünnigen Nal-Lord, und sie ist aus seinem Bezirk nicht lebend zurückgekehrt.«
Sie schüttelte erneut den Kopf. »Davon habe ich noch nichts gehört. Wann ist es passiert?«
»Heute früh.«
»Dann ist es seltsam, dass du bereits davon weißt.«
Marar zögerte, und aus einer weit entfernten Ecke seines Verstandes hörte er plötzlich eine Stimme, die ihm zurief, er sei dabei, einen Fehler zu machen und er müsse dieses Gespräch sofort beenden. »Mein Spion hat sich gerade mit mir in Verbindung gesetzt.«
»Tatsächlich?«
Schalte den Schirm ab. Schalt ihn sofort ab. »Ja. Er sagte, er hätte mich sofort unterrichtet, nachdem er davon erfahren hatte.«
»Und du hieltest es selbstverständlich für deine Pflicht, die Nachricht weiterzugeben.«
Das ist Wahnsinn! Sag ihr, einer deiner Block-Lords sei hier und dass du sie später zurückrufen würdest. »Ich dachte, du wolltest es vielleicht wissen. Wenn das ein Fehler war, verzeih mir.« Er griff nach vorne, um den Schirm abzuschalten und verfluchte dabei das Zittern seiner Hand. »Warte, Marar.«
Er hielt inne und zog einen Augenblick später widerstrebend die Hand zurück.
»Ich möchte wissen, warum du dich wirklich mit mir in Verbindung gesetzt hast.«
»Das habe ich dir doch gesagt. Ich -«
»Das glaube ich dir nicht«, sagte sie. Sie presste die Finger gegeneinander, als würde sie über etwas nachdenken.
Marar setzte dazu an, ihr zu sagen, dass er gehen müsse, aber dann hob sie die Hand und schüttelte den Kopf. Er spürte, wie sein linkes Augenlid zu zucken begann, und musste gegen den Drang ankämpfen, es zu reiben. »Du dachtest, das würde mich überzeugen, wie? Du dachtest, die Nachricht von Melyors Tod würde mich dazu bringen, mich mit dir zusammenzutun.«
»Ich war einfach nur der Ansicht, du solltest wissen, was geschehen ist, Herrscherin«, entgegnete er. Er versuchte empört zu klingen, aber es wirkte nur nörglerisch. Das war ein Fehler.
»Dachtest du, es würde mir Angst machen, Marar? Wolltest du damit andeuten, mir könnte das Gleiche zustoßen, wenn ich mich nicht mit dir verbünde?«
»Ich weiß nicht einmal, worüber du sprichst!«
»Du hast sie getötet, nicht wahr?«
»Selbstverständlich nicht! Ich habe dir doch schon gesagt, sie ist bei einem Feuergefecht in Bragor-Nal gestorben.«
»Aber du hast es arrangiert.« Sie stieß ein leises freudloses Lachen aus. Ihr kantiges Gesicht war bleich, aber in ihren blauen Augen stand keine Angst. Nur Zorn. »Sie hatte die ganze Zeit Recht, nicht wahr? Du hast die Bombe geschickt, die Shivohn getötet hat, und die andere, der Melyor beinahe zum Opfer gefallen wäre. Und heute ist es dir endlich gelungen - du hast sie getötet.«
»Mach dich nicht lächerlich!« Er war verzweifelt. »Du hast mir einreden wollen, dass sie den Anschlag auf Shivohns Leben befohlen und dann das Attentat im Goldpalast selbst inszeniert hat. Aber jetzt ist sie tot. Und was soll ich nun glauben? Dass sie das auch inszeniert hat?
Oder dass sie mir die Wahrheit gesagt hat? Dass du schon die ganze Zeit versucht hast, beide umzubringen?«
»Du bist offenbar vollkommen durcheinander, Wiercia«, sagte er in einem mühsamen Versuch, ein winziges bisschen an Würde und Glaubwürdigkeit zu wahren. »Ich werde in ein paar Tagen wieder mit dir sprechen, wenn du dich beruhigt hast.«
»Gib dir keine Mühe, Marar. Wir sehen uns bei der nächsten Ratssitzung, und dann können wir all das mit dem neuen Herrscher von Bragor-Nal besprechen.«
Sie drückte einen Knopf, und sein Schirm wurde schwarz. »Aricks Faust!«, murmelte er. Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und den Kopf in die Hände. Er hatte sich so angestrengt, um Wiercias Vertrauen zu gewinnen, und nun
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