Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
hierher gebeten?«, wollte Premel wissen, der sich ganz an den Plan hielt. »Weil du nicht selbst mit einem abtrünnigen Nal-Lord fertig werden kannst?«
Dob starrte ihn wütend an. »Nein. Ich habe die Herrscherin gerufen, weil Honid noch etwas anderes getan hat - etwas, das sie direkter betrifft.«
»Und was soll das sein?«, fragte Jibb mit einem Hauch von Ungeduld.
»Er hat auch ein Treffen des Netzwerks zerschlagen. Es sieht so aus, als hätten er und seine Männer neun Gildriiten getötet.«
Einen Augenblick schwiegen alle, obwohl Jibb hören konnte, wie ein paar von Dobs Männern miteinander zu flüstern begannen.
»Warum hat er das getan?«, fragte Melyor schließlich. Sie war bleich geworden und schien zu zittern.
Jibb musste sich ein Grinsen verkneifen. Das hätte ihn alles nicht überraschen sollen; immerhin war sie bei allem, was sie tat, lächerlich gut. Warum nicht auch als Schauspielerin?
Dob schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Herrscherin. Deshalb habe ich mich mit dir in Verbindung gesetzt. Honid scheint entschlossen zu sein, dir nicht nur zu trotzen, sondern noch eins draufzusetzen, indem er deine Leute angreift. Ich dachte, du würdest vielleicht selbst mit ihm sprechen wollen.«
Das war nicht die Art Geschichte, die Jibb verwendet hätte. Es waren einfach zu viele Löcher darin, beginnend mit dem Offensichtlichen: Warum hatten Dob und seine Männer Honid nicht selbst festgenommen und den Abtrünnigen dann zum Goldpalast eskortiert? Aber Melyor war entschlossen gewesen, sofort herauszufinden, was Marar vorhatte, und das hatte ihnen wenig Zeit für Vorbereitungen gelassen. Das hier war die beste Geschichte, die sie in der kurzen Zeit hatten erfinden können.
»Also gut«, sagte sie und nickte. »Dob, stell deine Männer rings um die Wohnung auf. Niemand betritt oder verlässt das Haus, bevor ich fertig bin. Verstanden?«
»Jawohl, Herrscherin.«
»Jibb, Premel, ihr und eure Männer kommt mit. Wir übernehmen das Gebäude. Sobald Honids Männer entwaffnet sind, werden die Gardisten den ersten Stock besetzen, während wir drei und Dob mit unserem rebellischen Nal-Lord sprechen.«
»Ich?«, fragte Dob und riss erschrocken die Augen auf - ein weiteres Meisterstück der Schauspielkunst.
»Ja, Dob. Ich bin hier, weil du es nicht geschafft hast, einen deiner Nal-Lords im Zaum zu halten. Es kommt mir nur richtig vor, dass auch du dich an dieser Sache beteiligst.« »Aber -«
»Jibb?«, sagte Melyor scharf.
Zur Antwort nickte Jibb, und Premel zog seinen Werfer und richtete ihn auf Dobs Herz.
»Schon gut«, sagte der Oberlord rasch. »Schon gut.« Die Herrscherin nickte und sah die anderen Männer an, die mit ihnen in der Gasse standen. »Ihr wisst alle, was zu tun ist. Bringen wir es hinter uns.«
Premel gab einen Befehl, und einen Augenblick später führte eine Phalanx von Gardisten Melyor, Jibb, Dob und Premel durch den Hintereingang ins Gebäude. Sobald sie die Schwelle überquert hatten, zuckten die ersten roten Feuersalven.
»Hinterhalt!«, rief einer der Gardisten. Sofort gingen alle in Deckung und begannen das Feuer zu erwidern.
Auch Honids Männer feuerten weiter, obwohl sie dabei erstaunlich gut in Deckung blieben, und ein paar Minuten lang schien das ganze Gebäude von Werferfeuer zu beben.
Jibb hielt sich dicht am Boden und in Melyors Nähe. Nach einiger Zeit bemerkte er, dass etwas in seiner Brust brannte, und er begriff, dass er aufgehört hatte zu atmen. Das hier war der gefährlichste Teil ihres Plans. Seine Leute hatten keine Ahnung, dass es sich um inszenierten Widerstand handelte - falls es einen zweiten Verräter unter ihnen geben sollte, war es wichtig, dass dieser Mann nicht erfuhr, dass Premel sich enttarnt hatte. Solange es Honids Männern gelang, sich zu schützen, und solange sie nicht wirklich einen der Gardisten töteten, würde es funktionieren und niemand würde verwundet werden. Aber sobald - »Da!«, rief einer seiner Männer und zeigte auf etwas über ihnen. Sofort eröffneten drei weitere Gardisten das Feuer in diese Richtung.
»Feuer einstellen!«, rief jemand von oben.
»Nicht ehe ihr euch ergebt und uns zu Honid bringt!«, antwortete Premel. »Die Herrscherin ist persönlich hergekommen, um mit ihm zu sprechen!«
»Der Nal-Lord ist weg!«, erklang eine andere Stimme. »Er ist in die unterirdischen Gänge geflohen, sobald ihr hereingekommen seid! Stellt das Feuer ein!«
»Werft eure Waffen weg!«, befahl Premel.
Das Feuer wurde eingestellt,
Weitere Kostenlose Bücher