Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
heraus, wandte aber unwillkürlich den Blick ab.
»Selbstverständlich weißt du das nicht«, sagte sie leise. Dann schwiegen beide, so dass das einzige Geräusch im Zimmer das Knistern des Feuers war. Nach einiger Zeit wagte er einen Blick in ihre Richtung, aber sie schaute ihren Adler an und streichelte sanft das Gefieder des Vogels. Bald darauf hörten sie Stimmen im Hauptsaal der Halle - die anderen Magier trafen zur täglichen Besprechung ein -, aber immer noch schwiegen sie. Schließlich holte er tief Luft und wandte sich ihr wieder zu. »Was willst du jetzt also tun?«
»Ich habe meine Klage eingereicht, Erland. Ich habe vor, sie zu verfolgen. Wie weit es geht, liegt an dir.«
»An mir?«
»Ja. Wenn du diese Angelegenheit zu einer Diskussion über die Angriffe auf Orris und meine Gespräche mit Jaryd machen willst, dann ist das deine Entscheidung. Aber ich verspreche dir, wenn du das tust, dann werde ich dich besiegen. Es mag einige Zeit dauern, und es könnte der Liga gewaltig schaden, aber ich werde siegen. Ich glaube, das wissen wir beide.«
Er war davon nicht so überzeugt wie sie, und selbst wenn er vollkommen ihrer Ansicht gewesen wäre, hätte er es nicht zugegeben. Aber er konnte nicht leugnen, dass schon die Aussicht auf diesen Kampf ihn bedrückte.
»Die Männer, die Kovet bedroht hat«, sagte er leise, »hast du mit ihnen gesprochen? Weißt du, wo sie zu finden sind?« »Ja.«
Sie hatte vielleicht gelogen; das war schwer zu sagen. Noch vor einem Jahr wäre ihm nicht einmal dieser Gedanke gekommen, aber Cailin hatte die Kunst der Politik inzwischen nur zu gut erlernt.
»Du glaubst mir nicht«, sagte sie.
»Ich bin nicht sicher«, gab er zu.
Sie lächelte und sah plötzlich aus wie ein Kind beim Spielen. »Gut.« Einen Augenblick später wurde ihre Miene wieder ernst. »Es ist zweifellos möglich, dass ich versuche, dich zu betrügen, Erland. Amarid ist eine große Stadt - es ist nicht einfach, diese Männer zu finden. Es wäre durchaus möglich, dass ich tagelang erfolglos gesucht und schließlich aufgegeben und mich stattdessen entschlossen habe zu lügen.« Sie zuckte die Achseln und blieb ärgerlich ruhig. »Aber es ist auch möglich, dass ich sie gefunden habe. Ich spiele keine Spielchen, Erland.« Wieder lächelte sie. »Jedenfalls habe ich das früher nicht getan. Du kannst ja nach allem, was du über mich weißt, entscheiden, ob du glaubst, dass ich so weit gehen würde, diese Anklagen einzureichen, wenn ich nicht wüsste, wo die Männer sind. Und dann musst du dich fragen«, fuhr sie fort, und diesmal blieb das Lächeln auf ihren Lippen, »ob du es dir leisten kannst, davon auszugehen, dass ich sie nicht gefunden habe. Denn wenn du Unrecht hast und ich weiß, wo sie sind, werden Kovet, Dirss und Brinly nie wieder blaue Umhänge tragen.« Er wusste, sie ließ ihm eine Möglichkeit offen. Noch während sie ihm drohte, bot sie ihm auch Hoffnung auf einen Kompromiss.
»Aber wie soll ich das alles entscheiden?«, fragte er, denn er wollte einfach noch nicht aufgeben. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich deine Gedanken lesen kann?« Er zwang sich dazu, ebenfalls zu lächeln. »Meine Macht ist stark, meine Liebe, aber nicht so stark.« »Du spielst Rendrah, nicht wahr, Erland?«
Er nickte, dann befeuchtete er sich die Lippen, die plötzlich ganz trocken geworden waren. Er spielte, aber er konnte es nicht besonders gut.
»Nun, das hier ist eine ganz ähnliche Sache. Du wirst entscheiden müssen, ob du etwas wagen willst, und zwar auf der Grundlage dessen, was du über deine Stärken und Schwächen weißt und wie du die meinen einschätzt.« Aber ich kann dich nicht einschätzen! Ich hätte nicht einmal geahnt, dass du in der Lage wärst, mich in eine solche Position zu bringen!. »Die Angelegenheiten der Liga sind kein Spiel, Cailin. Du solltest sie nicht so behandeln.« »Unsinn!«, fauchte sie, und nun war ihr Lächeln verschwunden. »Du hast diese Art Spielchen seit Jahren gespielt. Von wem habe ich es wohl gelernt?« Sie starrte ihn noch einen Augenblick an, dann schüttelte sie den Kopf. »Also gut. Wenn du es so haben willst, dann mache ich mit.« Sie wandte sich dem Kaminsims zu und hob den Arm für ihren Adler, als wollte sie sein Zimmer verlassen.
Erland schloss die Augen und traf seine Entscheidung. Es war besser, sich jetzt zu ergeben, als vor der gesamten Liga besiegt zu werden. »Was willst du, Cailin?«
Über die Schulter hinweg warf sie ihm einen Blick zu. Ihr
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