Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
hatte er innerhalb von Augenblicken alles kaputtgemacht. Wie dumm von ihm! Jetzt würde er sie ebenfalls töten müssen.
Einen Augenblick später piepste sein Schirm. Er hätte ihn gern ignoriert, aber... wieder piepste es. Marar tastete nach dem Knopf. Fand ihn nicht. Fand ihn schließlich doch und drückte darauf.
Einen Augenblick erkannte er das Gesicht nicht, das vor ihm auftauchte. Sie hatten nur einmal miteinander gesprochen, und das war vor mehreren Monaten gewesen, als der Mann zugestimmt hatte, für ihn zu arbeiten. Seitdem hatte er nicht viel getan - manchmal hatte er Marar ein paar Informationen geliefert, für die der Herrscher ihm ein oder zwei Goldbarren geschickt hatte. Marar hatte erst in letzter Zeit angefangen zu glauben, dass dieser Mann sich noch einmal als hilfreich erweisen könnte, denn erst in letzter Zeit hatte er erkannt, wie wichtig es sein würde, auch Jibb zu töten.
Und dieser Mann hasste Jibb. Marar wusste nicht genau, warum. Es hatte irgendetwas mit einem Halbbruder zu tun, den der SiHerr-General vor ein oder zwei Jahren in den Blocks erschossen hatte.
»Was willst du?«, fragte Marar.
»Ich habe Neuigkeiten, Herrscher.«
Marar rieb sich das Gesicht. »Ich habe es gehört. Melyor und Jibb sind tot. Ich brauche nicht... «
»Nein«, unterbrach ihn der Mann. »Sie leben.«
Der Herrscher starrte ihn an. »Wie bitte? Das ist unmöglich!«
»Ich versichere dir, es stimmt.«
»Aber Premel sagte ...« Er hielt inne. Premel. Selbstverständlich.
»Weißt du das sicher?«, fragte er einen Augenblick später. »Hast du sie gesehen?«
Vian grinste. »Gesehen? Ich habe sie in den Goldpalast zurückgefahren. Wie sollten sie sonst wieder nach Hause gekommen sein?«
Marar schloss die Augen. Melyor lebte noch. Und das bedeutete, dass sie es wusste. Irgendwie war es Premel gelungen, ihr Vertrauen zu erwerben, und er hatte ihr alles erzählt. Und nun hatte Marar sich selbst verraten. Er hatte sich Wiercia gegenüber verraten, und noch schlimmer, er hatte Premel - und zweifellos damit auch Melyor - gegenüber erwähnt, dass er Gold aus Tobyn-Ser erhielt. Ihm wurde übel.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Melyors Fahrer ihn immer noch anstarrte. Marar wandte den Blick ab und schaute zum Fenster. Die Sonne sank gerade hinter den Horizont und warf Schatten über das Nal, und ihr letztes
Licht blitzte auf den Fenstern und den Transportern auf Stib-Nals Höhe.
Ich hätte lieber spazieren gehen sollen, dachte Marar. Ich hätte es tun sollen, solange ich noch die Gelegenheit dazu hatte.
3
D ass Kovet, Dirss und Brinly den Ordensmagier Orris angegriffen haben, wird nicht abgestritten - sie haben es zugegeben. Diese Tatsache ist auch nicht der Grund für die Einreichung dieser öffentlichen Anklage, obwohl ich überzeugt bin, dass sie mit ihren Handlungen gegen den Geist unserer Zusatzverordnungen verstoßen haben. Meine Anklage bezieht sich jedoch darauf, dass sie mit ihrem Angriff auf Orris auch drei Männer aus Tobyn-Ser in Gefahr gebracht und sie daraufhin in direktem Verstoß gegen Amarids erstes Gesetz bedroht haben. Ihre Handlungen haben ihnen selbst, dieser Liga und dem Andenken des Ersten Magiers Schande bereitet, dem wir doch mit allem, was wir tun, Ehre machen sollten.
Ein solcher Verstoß gegen unsere Zusatzverordnungen sollte nicht ignoriert werden; niemand, der sich über Amarids Gesetze hinwegsetzt, sollte der Strafe entgehen können. Aber da dies zu einem Zeitpunkt geschah, an dem sich unser Land am Rand des Bürgerkriegs befindet und wir die Unterstützung der Bevölkerung dringend brauchen, sind die Schandtaten dieser drei Magier ganz besonders unerträglich. Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass die Angelegenheit sofort von der Liga diskutiert werden sollte.
Offizielle Anklageschrift, eingereicht von Adlermeisterin Cailin in Übereinstimmung mit den Zusatzverordnungen der Liga beim siebten Konklave der Liga von Amarid im Frühjahr des Gottesjahres 4633
Erland ließ sich gegen die Sessellehne sinken und schloss die Augen. Er hatte Cailins Anklage ein zweites Mal gelesen und nach irgendetwas - irgendetwas - gesucht, das ihm erlauben würde, bei der vorauszusehenden Alptraumdebatte zumindest einen kleinen Sieg zu erringen. Aber es bestand keinerlei Hoffnung. Keine. Er war versucht, das Pergament in die Flammen zu werfen, die in seiner Feuerstelle knisterten, nur, damit sie es ein zweites Mal schreiben musste. Aber stattdessen trank er einen weiteren
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