Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
gemeinsam.
Er trieb sie an wie ein Abboriji-Krieger seinen Hengst, bis über die Grenzen des Erträglichen hinaus, und ruhte sich nur lange genug aus, damit sie nicht vollkommen zusammenbrach. Er tat sein Bestes, sie zu füttern und zu tränken, und wenn sie zu schwach wurde, stützte er ihre Kraft mit seiner Macht. Aber er hatte es eilig, und er weigerte sich, sich von Tammens Körper aufhalten zu lassen. Nicht jetzt. Nicht, wenn er seinem Ziel schon so nah war.
Er hätte es vorgezogen, ein Pferd zu finden und auf diese Weise zu reisen. Das hätte die Reisezeit erheblich verkürzt. Aber ein Magier auf dem Pferderücken, besonders ein freier Magier, hätte Aufmerksamkeit erregt. Sartol blieb also nichts anderes übrig, als zu Fuß zu gehen.
Unterwegs kam er durch eine Reihe freier Dörfer und Städtchen - Grünbusch, Sternenblick, Vilpar, Kittran. Es gab mehr davon, als er gedacht hätte; die Bewegung breitete sich aus. Es gelang ihm überall, seine Lebensmittelvorräte zu ergänzen und den Ort wieder zu verlassen, bevor die Abenddämmerung Mirons Geist auf seiner Schulter sichtbar werden ließ.
Seine Tage waren lang. Er wanderte vom ersten Morgenlicht bis zum Einbruch der Nacht und legte nur lange genug Rast ein, um Wasser zu trinken und ein paar Stücke Käse oder Trockenobst zu essen. Manchmal, wenn er sicher war, dass er niemandem begegnen würde, aß er in der Abenddämmerung noch etwas und ging dann weiter in Richtung Amarid. Die Dunkelheit störte ihn nicht; selbst wenn er die Welt durch Tammens Augen betrachtete, sah er nachts mehr als am Tag. In den Nächten, in denen er nicht weiterwanderte, gestattete er Tammen zu schlafen und ließ seinen Geist umherschweifen, wie es die Unbehausten tun, wenn sie ruhen müssen. Manchmal jedoch ließ er Tammen, bevor er ihren Körper dem Schlaf übergab, ihre Kleidung ablegen und sich auf eine Weise berühren, wie er nie geglaubt hätte, je wieder eine Frau berühren zu können. Es war so lange her, und das hier war jetzt sein Körper, mit dem er tun konnte, was er wollte.
Fünf Tage hinter Grünbusch sah er die Parnesheimberge zum ersten Mal. Er wusste, hinter diesen verschneiten Gipfeln und grünen Tälern lag Amarid. Und in der Stadt stand die Große Halle, und in der Halle schlief der riesige Rufstein auf seinem Sockel. Er hatte einmal beinahe ihm gehört. Sartol war so nahe daran gewesen, den gewaltigen Kristall zu beherrschen, dass es alle Magier von Tobyn-Ser gebraucht hatte, um ihn zu besiegen. Und wenn er Recht hatte, wenn er das, was er über die Unbehausten und ihre Macht wusste, richtig interpretiert hatte, folgte daraus, dass der Stein auch nun sofort wieder auf seine Berührung reagieren würde. Was im Leben innerhalb seiner Reichweite gelegen hatte, blieb ihm auch im Tod. Es ging nur noch darum, nach Amarid zu gelangen und seine Hände - Tammens Hände - auf den Stein zu legen.
Aber alles der Reihe nach. Er hatte immer noch genug Vorräte für ein oder zwei Tage, aber nicht für die Überquerung der Berge. Zum Glück lagen in den Ausläufern des Gebirges mehrere Dörfer und kleine Städte, und nachdem er den größten Teil des Morgens gesucht hatte, fand Sartol schließlich eine Ansiedlung, über der die braunen Flaggen der Volksbewegung flatterten. Tammens Stab fest in ihren schlanken Händen, marschierte er ins Dorf hinein, und ihm wurde vor Freude beinahe schwindlig. Das hier war sein letzter Haltepunkt vor Amarid. Was immer er hier an Vorräten fand, würde genügen, um ihn bis zur Großen Halle zu ernähren. Normalerweise zwang er, wenn er ein Dorf betrat, ein Lächeln auf Tammens Lippen - es wäre unsinnig gewesen, die Menschen auf sich aufmerksam zu machen, indem er mürrisch wirkte. Aber heute brauchte es keine Anstrengung; seine Freude war überwältigend. Bis er den Dorfplatz erreichte. Und dann war es zu spät.
Es waren drei von ihnen, alles freie Magier. Sie sprachen mit einer Gruppe älterer Männer und Frauen, bei denen es sich wohl um die Dorfältesten handelte. Sartol überlegte, ob er nicht umkehren und den schnellsten Weg aus dem Dorf und zurück in Tobyns Wald nehmen sollte. Aber im nächsten Augenblick entdeckte ihn schon einer der Magier - oder genauer gesagt, er entdeckte sie - und winkte ihn zu sich.
»Ich grüße dich!«, rief der Mann, der kahlköpfig war und einen dunklen Bart hatte. »Willst du dich uns anschließen?« Am liebsten wäre er davongelaufen oder hätte ihnen erzählt, dass er kein Interesse hatte, sich mit
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