Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
dass das Ding mir im Weg ist.« »Binde ihn mir auf den Rücken«, sagte Melyor. »Jibb hat bei seiner Ausrüstung Seile.«
Schon bald waren sie wieder auf dem Weg, diesmal in enger Formation mit einem einzelnen Späher, der etwa einen viertel Block vor ihnen herging, und einem weiteren in entsprechender Entfernung hinter ihnen. Zwei weitere Gardisten befanden sich auf beiden Seiten je zweihundert Schritt entfernt. Sie bewegten sich so lautlos sie konnten, und es gelang ihnen nach Jibbs Einschätzung, etwa zehn Blocks zurückzulegen.
Sei es, weil sie sich so gut verbargen, sei es aus reinem Glück - sie schafften es, Marars Männern den größten Teil des Tages aus dem Weg zu gehen. Sie sahen keine Patrouillen, obwohl sie hier und da weggeworfene Lebensmittelpackungen und die Überreste von kleinen Lagerfeuern fanden.
Am späten Nachmittag jedoch kehrte der vordere Späher atemlos und aufgeregt zu ihnen zurück.
»Was ist los?«, fragte Jibb, als der Mann vor ihm stehen blieb.
»Eine Patrouille, General, etwa einen halben Block voraus. Sie kommen in diese Richtung.«
Der General bedeutet zweien seiner Männer, die anderen zurückzuholen, die seitlich marschierten. »Wie viele sind es?«, fragte er.
»Ich bin nicht sicher. Mindestens ein halbes Dutzend. Wahrscheinlich mehr.«
»Normalerweise bestehen die Patrouillen aus zwölf Männern«, sagte Maus. »Zehn mit Handwerfern und zwei mit größeren Waffen. Außerdem haben sie alle Kracher dabei, und alle haben Messer für den Nahkampf.«
Der General zog die Brauen hoch. »Danke.«
»Ich möchte ebenso wenig umgebracht werden wie du«, sagte sie trocken.
»Ich will keinen Kampf, wenn es sich vermeiden lässt«, sagte Melyor. »Es wird viel besser funktionieren, wenn wir Marar überraschen können.«
Jibb nickte. »Ganz meiner Meinung.«
Sie zogen sich zurück, bis sie den hinteren Späher erreichten, und drangen dann so lautlos wie möglich in westlicher Richtung in den Wald ein. Nach einiger Zeit hörten sie weit hinter sich Stimmen, konnten aber nichts von der Patrouille sehen.
»Gut gemacht«, flüsterte Melyor Jibb zu.
Der General nickte. »Alles in Ordnung, Herrscherin?« »Ja.«
»Bist du noch nicht müde?«
Sie kniff die Augen zusammen. »Was hast du im Sinn?« »Wenn wir ein Lager aufschlagen und uns dann eine dieser Patrouillen findet, haben wir keine Chance davonzukommen. Wenn wir uns allerdings weiterbewegen, werden wir die Patrouillen leicht erkennen können - sie haben wahrscheinlich Handlampen. Wir werden sie zumindest einen viertel Block im Voraus sehen. Wir werden nicht einmal Späher brauchen.«
»Nein, aber wir bräuchten ebenfalls Lampen.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte Jibb.
Er zeigte zum Himmel, und als Melyor aufblickte, sah sie den Halbmond, der durch die Bäume und den braunen Dunst spähte.
»Das sollte uns zumindest für die ersten vier oder fünf Stunden der Dunkelheit ein wenig Licht spenden«, sagte Jibb. »Und außerdem haben wir noch deinen Stein.« Melyor wandte sich Maus zu, die mitgehört hatte. »Kannst du uns im Dunkeln zum Palast bringen?«
»Sicher«, sagte sie. »Solange ich den Mond sehe, finde ich mich zurecht.«
»Also gut«, sagte die Herrscherin zu Jibb. »Versuchen wir es.«
Kurz bevor es endgültig dunkel wurde, wäre die Truppe beinahe direkt in eine zweite Patrouille hineingerannt, aber es gelang ihnen, im letzten Augenblick auszuweichen. Wie Jibb angenommen hatte, waren die Patrouillen viel leichter zu erkennen, nachdem die Sonne untergegangen war. Und obwohl der Mond nicht viel Licht bot, genügte es zusammen mit dem roten Schimmer von Melyors Stein, damit sie sich nicht an Wurzeln oder heruntergefallenen Ästen den Hals brachen.
Einmal saßen sie zwischen zwei Patrouillen fest, und es blieb ihnen kaum mehr, als sich flach auf den Waldboden zu legen, die Waffen griffbereit. Aber als die Kommandanten der beiden Patrouillen bemerkten, wie nah sie einander waren, führten sie ihre Leute beide in eine andere Richtung. Melyor und ihre Mitstreiter warteten, bis die Handlampen nichts weiter als ein entferntes Leuchten im Norden und Süden waren, dann machten sie sich wieder auf den Weg. Melyor hatte erwartet, dass sie lange vor Mitternacht erschöpft sein würde, und tatsächlich schmerzten ihre Arme gewaltig. Aber sie spürte, dass sie dem Palast näher kamen, und war weniger müde als übererregt, genau wie sie sich früher gefühlt hatte, wenn sie als Nal-Lord einen Überfall vorbereitete. Kein
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