Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
Wunder, dass so viele von ihnen etwas gegen die Veränderungen hatten, die ich dem Nal bringen wollte, dachte sie. Das hier macht einfach Spaß.
Zwei Stunden nach der gefährlichen Begegnung mit den beiden Patrouillen konnten sie einen ersten Blick auf den Palast werfen. Das Gebäude war so hell erleuchtet, dass der Schein schon seit einiger Zeit durch die Bäume gedrungen war. Aber erst, als sie tatsächlich die Sicherheitslampen und beleuchteten Fenster sehen konnten, gab Melyor das Zeichen anzuhalten.
»Wie willst du es machen?«, fragte Jibb im Flüsterton. Eine Patrouille tauchte in der Nähe auf und zwang Melyor und die anderen, sich still hinzulegen, bis sie vorüber war. »Es muss einen unterirdischen Eingang geben«, sagte Melyor. »Wir werden den benutzen und uns bis zu Marars Schlafzimmer durchkämpfen.«
Maus schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das das Mutigste ist, was ich je gehört habe, oder das Dümmste.«
Erneut kam eine Patrouille vorbei. Wieder duckten sie sich, bis die Wachen weg waren.
»Ich fürchte, da muss ich zustimmen«, sagte Jibb. Melyor nickte. »Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich denke, es wird funktionieren. Ich halte mich nicht gerade für eine Schülerin von Cedrych i Vran, aber er hat mir einmal etwas gesagt, das ich nie vergessen werde. Er sagte, wenn man einen Überfall auf eine Wohnung oder das Hauptquartier eines Feindes verübt - und ich denke, das Gleiche gilt auch für Paläste -, ist man beinahe in jeder Hinsicht schrecklich im Nachteil. Der Gegner kennt den Bauplan, kennt die Schwachstellen, kennt die Stärken des Geländes viel besser als du. Als Eindringling liegt der einzige Vorteil darin, das Gebäude, das du angreifst, nötigenfalls auch zerstören zu wollen. Die andere Seite wird es retten wollen - darum geht es schließlich. Also muss man Kracher und Werfer benutzen, um das Gebäude auseinander zu nehmen. Wenn man dazu bereit ist, kann man seine Gegner auch in ihrem eigenen Hauptquartier schlagen.«
»Du willst also den Palast zerstören?«, fragte Jibb. »Wenn es nötig ist, werden wir ihn dem Erdboden gleichmachen.«
Maus grinste. »Klingt gut.«
»Premel«, sagte Melyor und wandte sich dem hoch gewachsenen Gardisten zu. »Weißt du irgendetwas über die Anlage des Palastes?«
Selbst im Dunkeln konnte die Herrscherin sehen, wie der Mann bleich wurde, und einen Augenblick bedauerte sie, ihn vor den anderen gefragt zu haben. Aber dagegen konnte sie jetzt nichts mehr tun, und er schien es ebenfalls zu begreifen.
»Ja«, sagte er leise, während die anderen Gardisten ihn neugierig beäugten. »Marars Zimmer ist im ersten Stock an der Vorderseite des Palasts und geht auf den Garten und das Nal hinaus. Das ist der am besten bewachte Bereich.« »Gut«, sagte Melyor. »Danke.« Sie sah die anderen an und musste lächeln, als sie den Eifer in ihren Mienen bemerkte. Sie war nicht die Einzige, die hier ihren Spaß hatte. »Passt auf euch auf«, sagte sie. »Und passt auf die anderen auf. Ich möchte, dass ihr alle wieder mit mir nach Hause kommt.« »Sogar ich?«, fragte Maus.
Melyor grinste. »Ja, Maus. Sogar du.«
Zunächst glaubte er, dass er träumte. Er träumte manchmal immer noch von seinen Tagen als Blockdord, als er noch einen Werfer am Gürtel und ein Messer in dem nietenbesetzten Ärmel seiner Jacke getragen hatte. Aber als die Explosionen lauter wurden, tauchte er aus seinem Schlummer auf. Und als ein Kracher direkt vor der Tür seines Vorzimmers hochging, saß er aufrecht im Bett und tastete nach dem Werfer, den er in der Nachttischschublade hatte. Die Waffe in der zitternden Hand, griff Marar nach dem Kommunikator, den er in derselben Schublade aufbewahrte. Einen Augenblick später jedoch warf er das Gerät auf den Boden, ohne den roten Knopf gedrückt zu haben. Wenn vor seiner Tür Kracher explodierten, war Gregor und Bain wahrscheinlich etwas zugestoßen. Und alle anderen, die ansonsten auf seinen Hilferuf reagiert hätten, waren vermutlich tot oder Verräter.
Er sprang aus dem Bett, duckte sich und war bereit, auf jeden zu schießen, der durch seine Schlafzimmertür kam. Oder zumindest hatte er das vor.
Erst als er sich mit schmerzendem Hinterkopf und klirrenden Ohren auf dem Boden wiederfand, weil er gegen die Wand geprallt war, begriff er, dass ein weiterer Kracher hochgegangen war. Das Zimmer war voller Rauch, und er konnte von überall Schreie hören. Hin und wieder hörte er auch das Zischen eines Werfers, aber nicht häufig.
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