Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
Augen. Diese Frau war unmöglich. »Von Wollen kann keine Rede sein, Maus«, sagte sie und schaute die Gildriitin wieder an. »Ich möchte, dass du uns durchbringst. Aber ich brauche eine Antwort.«
Maus starrte sie einen Augenblick an, dann schaute sie über die Schulter zu Jibb und seinen Männern. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal mit der SiHerr zusammenarbeiten würde«, sagte sie leise. Sie wandte sich wieder Melyor zu. »Solange ich mich erinnern kann, war die SiHerr mein Feind. Sie war der Feind jedes Gildriiten in Bragor-Nal.« »Nein, das stimmt nicht«, sagte Melyor. »Ich weiß, dass du so denkst. Aber für die letzten sieben Jahre stimmt das einfach nicht. Ich sage nicht, dass sie euer Freund geworden ist, denn du würdest mir ohnehin nicht glauben. Aber ich versichere dir, die Kampagne der SiHerr gegen die Gildriiten hat an dem Tag, als Jibb General wurde, ein Ende gefunden. Dafür habe ich gesorgt.«
»Wenn ich dir sage, dass ich mit euch kämpfen werde, würdest du mir überhaupt glauben?«
»Vollkommen.«
»Und der General?«
Melyor zögerte, und Maus grinste.
»Ich verstehe«, sagte sie.
»Jibb will mich immer beschützen, Maus. Er sieht, wie du mir gegenüber empfindest, und deshalb fällt es ihm schwer, dir zu vertrauen.«
»Dich scheint das alles nicht zu stören.«
»Ich verstehe dich besser als er.«
Die Frau zog eine Braue hoch. »Du glaubst, dass du mich verstehst?« Aber bevor Melyor antworten konnte, schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. »Du brauchst es nicht zu beantworten. Ich bin nicht sicher, was mich mehr stören würde: zu hören, dass du keine Ahnung von mir hast, oder herauszufinden, dass du es doch tust.«
Wieder lächelte Melyor, aber sie schwieg.
Schließlich sah Maus sie wieder an. »Mach dir wegen mir keine Gedanken. Wenn es zu einem Kampf kommt, werde ich an deiner Seite sein.« »Mehr brauche ich nicht zu wissen«, sagte Melyor. »Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt.«
Maus nickte, dann stand sie auf. »Müssen wir noch über etwas anderes sprechen?«
»Nein. Du kannst gehen.«
Die Frau blieb noch einen Augenblick stehen, als widerstrebte es ihr zu gehen.
»Gibt es noch etwas, worüber du reden wolltest?«, fragte Melyor.
Maus schüttelte den Kopf, aber Melyor hatte den Eindruck, dass sie immer noch etwas beunruhigte. Schließlich drehte die Gildriitin sich um und kehrte zu den anderen zurück. Melyor sah ihr nach, und dabei bemerkte sie, dass Jibb die Frau ebenfalls beobachtete, wenn auch mit wesentlich finstererem Blick. Als Maus an ihnen vorbei war, kam er zu Melyor. Er kniete sich neben sie und begann, den Verband von ihrem Bein zu nehmen. Zunächst sagte er nichts, aber Melyor sah ihm an, dass er wütend war.
»Um was ging es da eigentlich?«, fragte er schließlich mit belegter Stimme.
»Wir haben nur über Marars Sicherheitseinrichtungen gesprochen und darüber, was wir morgen zu erwarten haben.«
Er sah sie einen Augenblick an, dann wandte er die Aufmerksamkeit wieder ihrem Bein zu. »Ich möchte, dass du morgen immer in meiner Nähe bleibst. Wir sollten vorsichtig sein.«
»Mach dir keine Sorgen, Jibb. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt.«
Er riss den Kopf so rasch hoch, dass Melyor laut lachen musste. Er wurde dunkelrot, begann aber sofort wieder, sich um ihr Bein zu kümmern. »Ich hätte schon vor Jahren gehen sollen«, murmelte er.
»Wer hätte dich schon haben wollen?«
»Ich hätte in ein Kloster eintreten und den Rest meiner Tage als Geistlicher verbringen können.«
Wieder lachte sie, und als er diesmal zu ihr aufblickte, umspielte ein Grinsen seine Mundwinkel. Er arbeitete wortlos weiter, aber als er den frischen Verband fertig angelegt hatte, sah er ihr in die Augen, und es war klar, dass er das Folgende sehr ernst meinte. »Melyor, ich möchte wirklich, dass du morgen in meiner Nähe bleibst. Ich weiß, was du von Marar hältst, aber selbst wenn er ein Idiot ist, hat er sich bisher doch als sehr gefährlicher Idiot erwiesen. Und nach allem, was ich höre, sind seine Männer recht gut.« Melyor nickte. »In Ordnung.«
Er neigte den Kopf leicht zur Seite, ließ sie aber nicht aus den Augen.
»Was ist?«, fragte sie. »Ich verspreche es. Was soll ich noch sagen?«
»Das genügt«, sagte er lächelnd und stand auf. Er half ihr auf die Beine, und zusammen gingen sie zum Feuer, wo die anderen bereits angefangen hatten zu essen. Wie Maus vorhergesagt hatte, erreichten sie den ersten Drahtzaun etwa eine
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