Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
gekommen war, als sie hörte, wie der Stab vor ihr auf dem Boden landete. Sie öffnete die Augen und blickte auf, aber die Frau hatte sich schon umgedreht und war dabei weiterzugehen. »Warte einen Augenblick, Maus«, rief Melyor.
Die Gildriitin blieb stehen, seufzte laut und wandte sich ihr zu. »Was willst du?«
»Was willst du, Herrscherin?«, verbesserte Melyor.
Maus starrte sie einen Augenblick an. »Was willst du?«, fragte sie abermals.
Melyor zwang sich, sich zu beherrschen, und zeigte vor sich auf den Boden. »Setz dich.«
»Ich stehe lieber.«
»Das war keine Bitte!«, fauchte die Herrscherin. Genug war genug. »Und jetzt setz dich.«
Maus spähte über die Schulter, um zu sehen, ob jemand zugehört hatte. Melyor bemerkte, dass mehrere Männer, darunter Jibb und Premel, mit dem, was sie gerade taten, innegehalten hatten und zu ihnen hinüberschauten. Widerstrebend setzte sich die Frau.
»Wie lange dauert es noch?«, fragte Melyor.
»In Blocks oder in Zeit?«
»Zeit.«
Maus schob einen Augenblick nachdenklich die Unterlippe vor. »Etwa anderthalb Tage. Bei normalem Tempo wären wir morgen Abend da, aber wir sind so langsam ...« Sie zuckte die Achseln und vollendete den Satz nicht. »Wann werden wir auf Marars Sicherheitseinrichtungen stoßen?«, fuhr Melyor fort und ignorierte den Versuch, sie zu ködern.
»Wir werden morgen früh auf Draht und Minen stoßen. Sie beginnen weniger als einen Block von hier entfernt.« »Und du weißt, wie man sie um umgeht?«
Maus nickte.
»Und was ist mit seinen Wachen? Wann werden sie auftauchen?«
»Wir könnten etwa gegen morgen Nachmittag auf die ersten Patrouillen stoßen. Normalerweise wagen sie sich nicht weiter als zehn Blocks in den Hain. Aber morgen
Abend werden sie überall sein.« Sie grinste. »Und dann geht der Spaß los.«
Auch Melyor lächelte und kämpfte gegen den Impuls, der Frau wieder einmal zu erklären, wie ähnlich sie einander doch waren. »Kannst du uns auch an ihnen vorbeibringen?«, fragte sie stattdessen.
»Das wird schwieriger werden. Ich denke, wir können den meisten aus dem Weg gehen, aber es wird uns aufhalten.« Sie wandte den Blick ab. »Ich denke nicht, dass wir bis morgen Abend zum Palast gelangen können, ganz gleich wie schnell wir sind.«
»Danke für deine Ehrlichkeit.«
Maus warf Melyor einen Blick zu, als glaubte sie, dass die Herrscherin sie verspottete. Aber dann sah sie Melyors vollkommen neutrale Miene und wandte sich wieder ab. »Keine Ursache«, sagte sie, aber das war über den leichten Wind hinweg, der durch die Zweige über ihnen wehte, kaum zu verstehen.
Melyor holte tief Luft und wappnete sich. Ihre nächste Frage würde wahrscheinlich dafür sorgen, dass Maus wieder davonstürmte, aber sie musste sie einfach stellen. »Du weißt sicher, Maus«, begann sie, »dass wir gegen Marars Männer kämpfen müssen, wenn wir ihnen begegnen. Ich weiß, dass dir der Gedanke, jemanden zu töten, nicht gefällt, aber ich muss mich darauf verlassen können, dass du uns hilfst, wenn wir in ein Feuergefecht geraten.« »Es gibt Möglichkeiten, Sicherheitsleute auszuschalten, ohne sie zu töten.«
»Das weiß ich«, sagte Melyor und nickte. »Aber Jibbs Männer sind auf ihre eigene Weise ausgebildet. Ich werde ihnen die Anweisung geben, nicht zu töten, wenn das möglich ist, aber in einem Feuergefecht könnte es sein, dass ihre Ausbildung die Oberhand gewinnt.«
Maus bedachte sie mit einem kühlen Blick. »Nun, dann werde ich wohl dafür sorgen müssen, dass wir an den Patrouillen vorbeikommen, ohne dass sie uns sehen, wie?« »Das wäre vorzuziehen, ja. Aber ich brauche immer noch eine Antwort auf meine ursprüngliche Frage.«
»Was willst du eigentlich, Herrscherin?«, fragte Maus nun lauter. »Soll ich etwa sagen, dass ich für dich töten werde? Geht es darum?«
Melyor schüttelte den Kopf. »Nicht im Geringsten. Aber ich muss wissen, ob du mit uns kämpfen wirst.«
»Und wenn nicht?«
Die Herrscherin sah Maus in die Augen, und beide Frauen hielten diesen Blickkontakt lange aufrecht. »Wenn du das nicht tun wirst, dann kannst du uns an den Minen und Zäunen vorbeibringen, und wir erledigen den Rest selbst.« »Kennst du den Weg?«
»Ich habe eine recht gute Vorstellung, wo sich Marars Palast befindet. Es ist vielleicht nicht der schnellste Weg durch den Hain oder der sicherste, aber ich kann uns hinbringen.«
Maus zuckte die Achseln. »Wenn du es auf diese Weise erledigen willst...«
Melyor schloss die
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