Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
gütlich einigen.
»Du hast recht«, sagte er. »Du musst müde sein und durchgefroren. Hol dir etwas zu essen und ruh dich aus.«
Bacari nickte zufrieden. Er hatte den Schlagabtausch gewonnen, und jetzt konnte er es sich leisten, großzügig zu sein, um der guten Beziehung willen – und bis er herausgefunden hatte, wo Tennyson das Gold versteckt hielt.
»Ich werde erst einmal schlafen«, sagte er. »Morgen bei Sonnenaufgang reite ich zurück und sehe nach, was sie machen.«
»Aber natürlich«, sagte Tennyson mit falscher Freundlichkeit. Er fragte sich, ob Bacari ahnte, wie sehr er ihn in diesem Moment hasste. Aber er gab sich große Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Wie du schon sagtest, sie werden im Augenblick nirgendwohin gehen.«
Bacari nickte. Allerdings konnte er sich eine letzte Bemerkung nicht verkneifen.
»Richtig«, betonte er. »Es ist, wie ich es sage.«
Damit drehte er sich um und rauschte mit schwingendem Umhang hinaus. Tennyson starrte dem Söldner noch lange hinterher und ballte dabei immer wieder die Hände zu Fäusten.
»Eines Tages, mein Freund«, flüsterte er, »bist du dran. Und es wird lange dauern und sehr schmerzhaft sein. Das verspreche ich dir.«
J emand beobachtete sie.
Horace konnte nicht genau sagen, woher er es wusste. Er wusste es einfach. Ein sechster Sinn vielleicht. Derselbe sechste Sinn, der ihn schon in einigen Schlachten am Leben gehalten hatte, sagte ihm jetzt, dass irgendjemand sie beobachtete. Schon am Vortag hatte er diesen Verdacht gehabt. Heute war er sich ganz sicher.
Er machte weiter seine alltäglichen Verrichtungen. Er säuberte seine Frühstücksutensilien, rieb die benutzte Bratpfanne mit Sand aus, spülte sie dann in einem Eimer Wasser aus dem Teich. Walt schlief noch. Horace war froh, wenn Walt ruhig war und nicht wirres Zeug aus der Vergangenheit erzählte.
Unterdessen dachte er über die augenblickliche Situation nach. Er wusste, dass es ein Fehler wäre, den Beobachter wissen zu lassen, dass er ihn entdeckt hatte. Es war anzunehmen, dass der Beobachter sich irgendwo auf der Anhöhe im Südosten befand – der Richtung, in die Tennyson mit seinen Leuten verschwunden war. Es konnte natürlich auch jemand sein, der nichts mit dem falschen Propheten zu tun hatte – ein Reisender, der ihren Weg gekreuzt hatte. Vielleicht auch
ein Bandit, der auf eine Gelegenheit wartete, sich ins Lager zu schleichen und sie zu berauben.
Aber natürlich war es am wahrscheinlichsten, dass es jemand aus Tennysons Bande war. Vermutlich sogar der Genovese, der ihnen entkommen war. Horace bekam eine Gänsehaut, wenn er sich vorstellte, dass irgendwo da draußen jemand mit einer Armbrust im Anschlag lauerte. Doch dann mahnte er sich zur Ruhe. Die Anhöhe war über dreihundert Pferdelängen entfernt, und Will hatte ihm gesagt, dass die Armbrust der Genovesen nur über kurze Distanz reichte, keinesfalls über eine Reichweite von mehr als hundertfünfzig Pferdelängen.
Dennoch war allein der Gedanke, beobachtet zu werden, äußerst unangenehm. Es war wie ein Stich an einer Stelle, an der man nicht kratzen konnte. Betont beiläufig blickte er sich um. Die nächstgelegene Deckung, von wo aus er gefahrlos den Horizont absuchen konnte, bot der Teich, der sich etwa fünfzig Schritte entfernt befand. Er lag in einer Senke, umgeben von einigen Bäumen und Büschen. Das Problem war nur, dass Horace heute Morgen bereits Wasser geholt hatte. Wenn der Beobachter das wusste, würde er vielleicht misstrauisch werden.
Da kam ihm eine Idee. Er ging zum Feuer und legte ein paar Äste nach. Danach drehte er sich um und stieß gegen den vollen Wassereimer. Er kippte seitlich um und das Wasser versickerte. Horace half mit einem Stoß nach, sodass ein Teil des Wassers in das Feuer schwappte und so einen Rauch erzeugte, den der geheime Beobachter auf jeden Fall sehen würde. Um ganz sicher zu gehen, stieß Horace wütend mit dem Fuß nach dem Eimer und schimpfte dabei laut: »Verdammt noch mal!«
Er war ziemlich stolz auf seine Theatervorstellung. Er erinnerte sich an eine Unterhaltung vor ein paar Monaten auf Schloss Araluen mit dem Mitglied einer Schaustellertruppe. Der Mann hatte Horace geraten, sich etwas weiter hinten in den Saal zu setzen, um ihre Vorstellung zu verfolgen, nicht direkt vor die Bühne.
»Wir müssen auch für die Hinterbänkler spielen«, hatte er erklärt, »also sind unsere Gesten und unser Gesichtsausdruck ganz
Weitere Kostenlose Bücher