Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
noch nie vorher gemacht. Ich kenne niemanden, der es getan hat. Und ich kann auch nur abschätzen, wie viel ich ihm verabreichen muss. Er ist sehr geschwächt. Ich glaube, ich weiß, was ich ihm zumuten kann, aber ganz sicher bin ich nicht.«
Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann sagte Malcolm: »Das ist keine Entscheidung, die ich selbst treffen möchte, Horace. Ein Freund sollte das tun.«
Horace begegnete seinem Blick und nickte langsam. »Ja, sie müsste von Will getroffen werden.«
Malcolm wiegte den Kopf hin und her. »Ja, vielleicht. Aber Will ist nicht da. Du bist ebenfalls Walts Freund. Du stehst ihm vielleicht nicht so nahe wie Will, aber du magst und schätzt ihn, und ich bitte dich nun, diese Entscheidung zu treffen.«
Horace wandte sich ab und starrte durch die Bäume zum Horizont, also könnte Will plötzlich dort auftauchen und das quälende Gespräch überflüssig machen. Nach einer Weile fragte er zögernd: »Darf ich dir eine Frage stellen? Wenn es dein Freund wäre, dein bester Freund, würdest du es dann tun?«
Malcolm nahm die Frage sehr ernst und überlegte, ehe er antwortete.
»Ich denke schon«, sagte er schließlich. »Ich hoffe, ich hätte den Mut dazu.«
Horace drehte sich mit einem traurigen Lächeln zu ihm.
»Danke für deine Ehrlichkeit. Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so angeblafft habe.«
Malcolm winkte ab.
»Schon längst vergessen«, sagte er. »Aber wie ist deine Entscheidung?« Dabei deutete er auf Walt.
Im selben Moment begann der Waldläufer, sich zu regen und leise vor sich hin zu murmeln.
»Die Wirkung des Medikaments lässt bereits wieder nach«, sagte Malcolm. »Das hilft mir, die genaue Dosierung zu finden.«
Horace blickte von Malcolm zu Walt und wieder zurück. »Tu es«, sagte er.
E s dämmerte bereits, als Abelard plötzlich den Kopf hob und laut wieherte.
Horace und Malcolm blickten überrascht zu dem Pony. Die Pferde der Waldläufer machten normalerweise keinen unnötigen Lärm. Dazu waren sie zu gut ausgebildet. Kobold sah ebenfalls neugierig auf und senkte dann wieder den Kopf, um weiterzugrasen.
»Was ist denn mit Abelard los?«, fragte Malcolm.
Horace zuckte mit den Schultern. »Er muss etwas gehört oder gerochen haben.« Der junge Ritter hatte am Feuer gesessen und in die Glut gestarrt. Jetzt stand er auf, das Schwert kampfbereit in der rechten Hand.
In diesem Moment hörte er in der Ferne ein anderes Pferd wie zur Antwort wiehern. Dann tauchte ein undeutlicher Umriss am südlichen Horizont auf.
»Es ist Will!«, rief Horace aus, und nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Er hat einen Gefangenen dabei.«
Der Umriss von Ross und Reiter waren nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen, weil Will seinen Gefangenen mit gebundenen Händen und Füßen bäuchlings über dem Sattelknauf vor sich liegen hatte.
Nun trottete er auf Reißer den Abhang herab in den Hain. Als er Horace aus dem Wäldchen heraustreten sah, hob er grüßend die Hand. Der Genovese stöhnte bei jedem von Reißers Schritten.
Malcolm kam ebenfalls herbei und rieb sich erwartungsvoll die Hände, als er sah, dass Wills Gefangener einen dunkelroten Umhang trug. Der junge Waldläufer hatte tatsächlich Wort gehalten.
Will hielt neben ihnen an. Er wirkte erschöpft, was nicht weiter verwunderte nach einem so anstrengenden Ritt.
»Wie geht es Walt?«, fragte Will.
Horace machte eine beruhigende Geste. »Einigermaßen. Zwischendurch sah es ziemlich kritisch aus. Aber Malcolm hat ihn in einen sehr tiefen Schlaf versetzt, damit das Gift sich langsamer ausbreitet.« Er fand es besser, das so zu bezeichnen, als zu sagen: Malcolm musste ihn beinahe umbringen, damit das Gift sich langsamer ausbreitet. »Er wird gesund werden, jetzt, wo du zurück bist.«
Wills Gesicht war vor Anstrengung verzerrt und seine Augen waren blutunterlaufen. Doch nun, da er in seiner Sorge um Walt beruhigt worden war, merkte man ihm auch eine gewisse Genugtuung an.
»Ja, ich bin zurück«, sagte er. »Und seht mal, wer mir über den Weg gelaufen ist.«
Horace grinste. »Ich hoffe, du hast ihn dabei tüchtig umgerempelt.«
»So kräftig ich nur konnte.«
Horace machte Anstalten, den Genovesen vom Pferd zu heben, doch Will wehrte ab.
»Achtung«, sagte er, dann packte er seinen Gefangenen
am Kragen, hob ihn hoch und ließ ihn wie einen Kartoffelsack zu Boden gleiten. Der Mann kam schief auf, versuchte, sein Gleichgewicht zu halten, kippte aber trotzdem um.
»Vorsichtig«, sagte Malcolm.
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