Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
Will sah, wie die Hand seines Gegners sich über dem Auslöser spannte, deshalb zögerte er nicht länger. Er zog drei Pfeile nacheinander aus dem Köcher und schoss, noch bevor der Genovese zum Zug gekommen war.
Der Söldner sah die Gefahr kommen – da zischte auch schon ein Pfeil gefährlich nah an seinem Kopf vorbei. Und es waren noch zwei weitere Pfeile unterwegs. Es hätte stärkerer Nerven bedurft, um unter diesen Umständen eine ruhige Hand zu bewahren, selbst wenn er nicht auf einem klapprigen Gaul gesessen hätte. Der Genovese duckte sich, einen Fluch auf den Lippen, aber seine Hand zuckte unwillkürlich und löste den Schuss aus. Der Bolzen flog ein hohen Bogen und fiel harmlos ins Gras.
Will warf den Langbogen weg. Es war keine Zeit, ihn über die Schulter zu schlingen, er konnte ihn nachher wieder aufheben. Er holte die Handläufer aus dem Gürtel und ließ Reißer zur letzten Aufholjagd ansetzen. Der Gegner rammte seinem armen Reittier die Fersen in die Seiten und griff nach einem seiner Dolche. Im selben Moment schleuderte Will sein Wurfgeschoss.
Die Handschläger glitzerten im Sonnenschein, als sie sich im Flug drehten. Im ersten Moment sah der Genuevese sie nicht, erkannte die Gefahr noch nicht, aber in der allerletzten Sekunde duckte er sich doch noch nach unten.
Der Kerl hat Reflexe wie eine Katze, dachte Will. Die Handschläger flogen über seinen Kopf hinweg und landeten im hohen Gras. Will fluchte. Die würde er nie mehr wiederfinden. Er zog sein Sachs aus der Scheide.
»Jetzt holen wir ihn uns, Reißer«, sagte er, und prompt legte das Pony noch einmal an Geschwindigkeit zu.
Will sah das Aufblitzen von Stahl in der Hand des Genovesen und wusste, er hatte einen seiner langen Dolche gezogen. Der Genovese wollte sein Pferd drehen, um den Angriff von vorne abzuwehren, aber es war zu spät. Er holte zwar aus und zielte auf Reißer, aber Will beugte sich über den Hals des Ponys nach vorne und wehrte die dünne Klinge mit seinem schweren Sachsmesser ab.
Dann stieß Reißer in voller Geschwindigkeit gegen die erschöpfte Bauernmähre, die daraufhin strauchelte und stürzte. Das rechte Bein ihres Reiters war unter dem großen Pferdekörper gefangen. Das Tier stieß noch einmal schwach mit den Hufen in die Luft, machte jedoch keine Anstalten, wieder aufzustehen. Es hatte seinen letzten Atemzug getan.
Im nächsten Augenblick glitt Will auch schon aus dem Sattel. Er rannte auf den unter dem Pferd gefangenen Söldner zu. Der Mann hatte bei dem Sturz seinen Dolch verloren und suchte nun unter seinem Umhang nach einer anderen Waffe. Ohne eine Sekunde zu zögern, trat Will neben ihn und schlug ihm den schweren Messinggriff seines Sachsmessers gegen die Schläfe. Und zur Sicherheit wiederholte er das noch einmal.
Der Mann verdrehte die Augen, stieß ein leises Stöhnen aus und kippte nach hinten weg.
Will machte einen Schritt zurück, um Atem zu holen.
»Das war’s dann wohl«, sagte er zu der reglosen Gestalt.
M alcolm machte sich Sorgen. Das Gift befand sich nun schon seit einigen Tagen in Walts Kreislauf, weshalb sein Zustand jederzeit in die letzte Phase übergehen konnte. Im Augenblick ging es dem Waldläufer gut und seine Temperatur war normal. Würde er jedoch wieder unruhig und bekäme Fieber, wäre dies das Zeichen, dass er nur noch ein paar Stunden zu leben hätte.
Der Heiler blickte zu dem jungen Ritter, der auf dem Boden saß und in die Luft starrte. Er wünschte, er könnte irgendetwas tun, um Trost zu spenden. Aber Horace kannte die Lage genauso gut wie er selbst. Und Malcolm war niemand, der in solchen Zeiten falsche Hoffnung und beruhigende Worte anbot.
Walt stöhnte kurz auf und drehte sich zur Seite. Sofort war Malcolm alarmiert. Hatte er sich einfach im Schlaf gedreht? Oder war das der Anfang vom Ende? Ein paar Sekunden lang lag Walt still und Malcolms Besorgnis wich. Doch dann murmelte der Waldläufer im Schlaf, diesmal lauter, und begann sich unruhig hin und her zu wälzen, versuchte sogar, die Decken abzuwerfen. Malcolm eilte an seine Seite, kniete sich neben ihn und legte die Hand auf die Stirn des Waldläufers.
Sie war viel zu heiß. Walts Augen waren zusammengekniffen und er gab weiter irgendwelche unverständlichen Laute von sich. Plötzlich schrie er.
»Will! Lass dir Zeit! Schieß nicht übereilt!«
Malcolm hörte eilige Schritte hinter sich.
»Geht es ihm gut?«, fragte Horace. Unter diesen Umständen war das eine alberne Frage. Walt ging es auf keinen Fall
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