Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
Worte waren unüberlegt gewesen. Er wusste, dass auch Malcolm unter seiner eigenen Hilflosigkeit litt. Heilen war sein Beruf, aber er konnte im Augenblick nichts tun.
Horace machte eine halb abwehrende, halb entschuldigende Geste.
»Nein. Nein«, sagte er. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich weiß, du hast dein Bestes getan, Malcolm. Es ist nur …«
Er konnte den Satz nicht beenden. Er war nicht einmal sicher, was er überhaupt sagen wollte. Seine Worte würden letztlich nur das bestätigen, was er ohnehin schon wusste. Nämlich dass Walt sterben würde. Wenn Malcolm ihm nicht helfen konnte, dann vermochte das niemand.
Horace drehte sich weg und hielt sich die Hand über die Augen, um die Tränen zu verbergen. Dann ging er wortlos davon. Malcolm wollte ihm nachgehen, doch dann beschloss er, dass es besser war, ihn in Ruhe zu lassen. Stattdessen ging er noch einmal neben Walt auf die Knie und beobachtete den Waldläufer aufmerksam. In etwa einer halben Stunde würde die Wirkung der braunen Flüssigkeit nachlassen und Walt würde erneut schlimme Krämpfe bekommen. Malcolm konnte sie lindern, wenn auch nur vorübergehend. Die Anfälle würden wiederkommen und immer schlimmer werden. Es war eine Abwärtsspirale.
Es sei denn …
Eine kühne Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. Es war eine verzweifelte Idee, doch dies war auch eine verzweifelte
Situation. Er atmete einige Male tief durch, schloss die Augen und dachte nach. Er überlegte hin und her, wog die Gefahren und Vorteile gegeneinander ab.
Dann dachte er über die Alternative nach. Er konnte Walt noch ein paar Stunden über die krampfartigen Anfälle hinüberretten – in der Hoffnung, dass Will während dieser Zeit zurückkehrte. Doch er wusste auch, wie gering die Chance war.
Schließlich kam er zu einer Entscheidung. Er stand auf und ging hinüber zu Horace, der sich gegen einen Baum gelehnt hatte und mit gebeugtem Kopf dastand. Seine Körpersprache verriet, dass er aufgegeben hatte.
Malcolm zögert. Hatte er das Recht, ihm Hoffnung zu machen – Hoffnung, die sich als trügerisch erweisen konnte?
Sollte er sich nicht vielleicht lieber dem Schicksal beugen und für Walt tun, was er konnte, und ansonstem der Natur ihren Lauf lassen?
Er schüttelte entschieden den Kopf. Das war nicht seine Art und würde es nie sein. Er würde bis zum Ende kämpfen.
»Horace?«, sagte er leise. Der junge Mann drehte sich zu ihm, und Malcolm sah die Tränen, die ihm übers Gesicht rannen.
»Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit…«, begann er, hob jedoch sofort warnend die Hand, als er den Hoffnungsschimmer in Horace’ Augen sah. »Es ist eine äußerst geringe Chance. Und es könnte sein, dass mein Plan nicht klappt und ich ihn sogar töte.«
Horace riss erschrocken die Augen auf, doch dann wurde er ganz ruhig.
»Was ist es?«
»Es ist etwas, was ich noch nie vorher versucht habe. Aber es könnte helfen. Das Rauschmittel, das ich ihm gegeben habe, ist sehr gefährlich. Wie gesagt, es könnte ihn töten, unabhängig von dem Gift. Aber wenn ich ihm genug davon gebe, dass er nur beinahe tot ist, könnte es ihn retten.«
Horace verzog das Gesicht. »Wie kannst du ihn retten, wenn du ihn beinahe tötest?«
Malcolm musste zugeben, dass es sich nach einem ziemlich verrückten Plan anhörte. Aber es war die einzige Möglichkeit.
»Wenn ich ihn in einen todesähnlichen Tiefschlaf versetze, dann wird alles in seinem Körper sich verlangsamen. Sein Puls. Seine Atmung. Der ganze Kreislauf. Und die Auswirkungen des Giftes werden sich ebenfalls verlangsamen. Wir erkaufen ihm damit Zeit. Vielleicht acht Stunden. Vielleicht mehr.«
Nun verstand Horace. In acht Stunden war Will bestimmt wieder da – vorausgesetzt es war ihm gelungen, den Genovesen gefangen zu nehmen. Plötzlich befiel Horace ein entsetzlicher Gedanke. Was, wenn der Genovese Will getötet hatte? Nein, so etwas durfte er jetzt gar nicht denken.
Will würde ganz bestimmt zurückkommen. Und wenn Walt dann noch am Leben war, konnte Malcolm ihn heilen. Plötzlich flackerte Hoffnung, wo bisher nur ein tiefes schwarzes Loch gewesen war.
»Was wirst du tun?«, fragte er langsam.
Malcolm kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe.
»Ich werde ihm eine Überdosis des Rauschmittels geben. Gerade so viel, dass er nicht daran stirbt.«
»Und wie viel muss du ihm da geben, weißt du das? Hast du das schon einmal gemacht?«
Malcolm holte tief Luft.
»Nein«, gab er zu. »Ich habe so etwas
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