Die Chroniken von Araluen - Die brennende Brücke: Band 2 (German Edition)
den beiden Türmen auf der anderen Seite der Schlucht
verbunden waren. Diese Konstruktion bildete die Pfeiler für eine Holzbrücke, die so breit war, dass gut und gern sechs Männer bequem nebeneinander über die schwindelerregende Tiefe der Schlucht marschieren konnten.
Gefangene aus Celtica arbeiteten mit Hammer und Säge an der Brücke. Das laute Knallen kam von den Peitschen der Wargals, die die Arbeiter beaufsichtigten.
Aus einem Tunnel, der sich südlich der Brücke auf den Vorsprung hinaus öffnete, kam das Geräusch von Steinmetzarbeiten. Es war kaum mehr als ein Spalt in den Klippen, vielleicht doppelte Schulterbreite, doch die Gefangenen arbeiteten emsig an diesem Eingang und meißelten an dem harten Fels, um die kleine Öffnung zu vergrößern.
Will betrachtete die dunklen Klippen auf der anderen Seite. Es waren keinerlei Seile oder Leitern zu sehen, die zu dem Vorsprung führten. Die Wargals und ihre Gefangenen mussten ihn wohl über den schmalen Spalt im Fels erreicht haben.
Der Gefangenentrupp, dem Will gefolgt war, überquerte jetzt die Schlucht. Das letzte Stück der Brücke war noch fertigzustellen, im Augenblick gab es nur einen grob gezimmerten Steg. Er war gerade breit genug für die Arbeiter, die paarweise zusammengebunden waren, doch die Minenarbeiter aus Celtica waren daran gewöhnt, auf schmalen Wegen zu gehen.
Will hatte genug gesehen. Es war Zeit, umzukehren. Geduckt rannte er zu seinen Freunden zurück.
Als er sie erreicht hatte, setzte er sich mit dem Rücken gegen einen Felsen und atmete tief durch. Die Sorge der letzten beiden Tage, zusammen mit der Verantwortung für ihre kleine Gruppe, zeigte bei ihm langsam Wirkung. Überrascht stellte er fest, dass er hundemüde war. Er hatte nicht gewusst, dass innere Anspannung so anstrengend war.
»Also, was geht denn dort vor? Hast du irgendetwas gesehen?«, fragte Horace.
Will sah ihn niedergeschlagen an. »Eine Brücke«, sagte er. »Sie bauen eine Brücke.«
Horace runzelte verblüfft die Stirn. »Aber wieso denn?«
»Es ist eine riesige Brücke, groß genug, um eine ganze Armee auf die andere Seite der Schlucht zu schaffen. Vorhin haben wir noch darüber geredet, dass Morgarath unmöglich ein Heer die Klippen hinunter und über die Schlucht brächte. Tja, dabei baut er bereits eine Brücke dafür.«
Evanlyn zupfte an einem losen Faden ihrer Jacke. »Deshalb hat er die Minenarbeiter aus Celtica gebraucht«, stellte sie fest. Als die beiden Jungen sie ansahen, fuhr sie fort: »Sie sind erfahrene Baumeister. Seine Wargals hätten das alleine niemals geschafft.«
»Sie graben auch einen Tunnel«, berichtete Will.
»Da ist ein schmaler Spalt – eine Art Höhleneingang – auf der anderen Seite, den sie verbreitern.«
»Wohin führt er?«, wollte Horace wissen.
Will zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir das noch herausfinden. Immerhin befindet sich das Plateau auf der anderen Seite immer noch einige hundert Fuß weiter oben. Aber es muss einen Zugang vom Plateau aus geben, denn es sind keine Seile oder Leitern zu sehen.«
Horace stand auf und begann, nachdenklich auf und ab zu gehen.
»Ich verstehe es nicht«, sagte er schließlich stirnrunzelnd.
»Das ist doch nicht so schwer zu verstehen, Horace«, erwiderte Will ungeduldig. »Da wird eine verdammt große Brücke über die Schlucht gebaut – groß genug für Morgarath und alle seine Wargals und ihre Versorgungswagen und ihren Schmiedekram und ihre Ochsen und wer weiß noch alles.«
Horace wartete, bis Will seine Tirade beendet hatte. Dann legte er den Kopf zur Seite. »Fertig?«
Will merkte, dass er zu harsch gewesen war, und machte eine entschuldigende Handbewegung.
»Eines verstehe ich nicht«, sagte Horace hartnäckig. »Warum wurde das nirgendwo in den Plänen erwähnt, die ihr erbeutet habt?«
Evanlyn sah überrascht auf. »Pläne?«, sagte sie. »Welche Pläne?«
»Du hast recht«, sagte Will leise zu Horace. »In
den Plänen wurde nie eine Brücke über die Schlucht erwähnt.«
»Es ist ja nicht so, als sei es eine Kleinigkeit. So etwas müsste doch irgendwo auftauchen«, sagte Horace. Will nickte zustimmend.
Evanlyn, deren Neugierde inzwischen geweckt worden war, fragte: »Was sind das für Pläne, über die ihr da sprecht?«
Erst da merkte Horace, wie unverständlich ihre Unterhaltung für sie sein musste. »Will und Walt – das ist sein Lehrmeister – haben vor ein paar Wochen Morgaraths Kriegspläne erbeutet. Darin
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