Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
spendete wohlige Wärme. Der Kaiser hatte einen feinen Pinsel in der Hand und hielt einen Rahmen, in den Reispapier gespannt war, über dem Knie. Er schrieb immer wieder das gleiche Schriftzeichen in Nihon-Jan auf das Papier und schien seinen Schwung jedes Mal verbessern zu wollen. Nun blickte er auf und lächelte.
»Ah, Kurokuma , bitte setzt Euch zu mir.« Er deutete auf einen niedrigen Hocker.
Horace verbeugte sich und nahm Platz. Er wusste, dass es ein Verstoß gegen die Etikette war, höher als der Kaiser zu sitzen. Doch Shigeru nahm Rücksicht darauf, dass die Araluaner keine Erfahrung darin hatten, kniend zu sitzen, und dass sie sich deshalb nach einer Weile in dieser Haltung verkrampften. Das war für Horace nur ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr sich der Kaiser um das Wohlergehen seiner Mitmenschen kümmerte.
»Etwas Tee, Kurokuma ?«
Horace hatte zwar gerade erst Tee getrunken, aber gemeinsames Teetrinken gehörte in Nihon-Ja zum guten Ton und man durfte nicht ablehnen.
»Vielen Dank, Eure Exzellenz«, sagte er und verbeugte sich auf seinem Platz. Er kam sich auf dem niedrigen Hocker ein wenig albern vor, fast wie ein Riese in einem Kinderzimmer. Shigeru hingegen, der inzwischen auf seinen Fersen saß, sah würdevoll und elegant aus.
Ein Dienstbote kam aus dem inneren Raum und servierte den Tee. Horace nippte dankbar daran. Selbst auf dem kurzen Weg zu Shigerus Hütte hatte er die Winterkälte unangenehm gespürt und die Wärme des Tees tat ihm gut.
»Ihr wolltet mich sehen, Eure Exzellenz?« Horace war sich bewusst, dass George über eine so plumpe Eröffnung des Gesprächs den Kopf geschüttelt hätte. Vielleicht hätte er ja zuerst eine bewundernde Bemerkung über die Schönschreibkunst des Kaisers machen sollen, woraufhin der Kaiser dann auf seine Schwächen und Mängel hingewiesen hätte. Aber Horace war viel zu neugierig, den Grund für diese abendliche Einladung zu erfahren. Seit dem Kampf an der Palisade trafen sie nicht mehr so oft zusammen. Es war nicht notwendig, dass Shigeru sich jeden Tag mit seinen Ratgebern traf, und er hatte sich ein wenig zurückgezogen. Shukins Tod lag ihm schwer auf der Seele, und Horace wusste auch, dass dieser mitfühlende und freundliche Mann sich für das Schicksal jener verantwortlich fühlte, die ihm zur Seite standen – die Kikori, die Senshi und die Gruppe von Fremden.
All diese Gedanken gingen Horace nun durch den Kopf. Der Kaiser zeigte allerdings keine Anzeichen von Zweifel oder Unsicherheit, sondern gab sich ruhig und gelassen.
»Ihr wart beschäftigt, Kurokuma?«, erkundigte er sich lächelnd.
Horace wiegte den Kopf. »Nicht unbedingt, Eure Exzellenz. Es gab nicht so viel zu tun. Aber das wird sich ändern. Ich soll das Kommando für eine Hyaku übernehmen.«
»Ah, ja … die Truppen, die Wirru-san ausbildet«, sagte Shigeru. »Glaubt Ihr, die Kikori werden gegen Arisaks Senshi bestehen können?«
Horace nickte. »Ich denke, das könnten sie, Eure Exzellenz«, antwortete er. »Solange sie an sich selbst glauben und sie nicht der Mut verlässt.«
»Glauben sie denn an sich?«
Horace schüttelte den Kopf. »Im Moment vielleicht noch nicht. Aber wir werden sie dazu bringen, an sich zu glauben. Es liegt an uns, diese Überzeugung in ihnen zu wecken.«
»Ich vermutete schon, dass Ihr das sagen würdet. Und das bringt mich auf etwas anderes: Wenn Ihr an der Seite der Kikori kämpft, ja sie sogar anführt, werdet Ihr ein gutes Schwert brauchen.« Shigeru deutete auf das Schwert, das in Horace’ Schärpe steckte. »Wie gefällt Euch das Katana ?«
»Es ist eine gute Waffe«, sagte Horace vorsichtig. »Allerdings bin ich mit ihr noch nicht so vertraut.«
»Hmm. Das dachte ich mir fast. Und ich weiß, dass ein Krieger eine Waffe benötigt, die er kennt und der er vertraut. Und deshalb …« Shigeru drehte sich zu dem kleineren Raum, wohin sein Dienstbote sich inzwischen wieder zurückgezogen hatte.
»Tabai! Bring das Schwert!«
Der Dienstbote kam mit einem langen, in Öltuch eingewickelten Bündel. Er wollte es dem Kaiser überreichen, doch Shigeru wehrte ab und deutete auf Horace. Tabai reichte das Päckchen daraufhin dem jungen Ritter, der es neugierig entgegennahm. Er blickte fragend zu Shigeru.
»Ich fand es gestern unter Shukins Gepäck«, erklärte der Kaiser. »Ich hatte mich nicht früher dazu überwinden können, seine Sachen durchzusehen, und ehrlich gesagt, hatte ich das hier auch ganz vergessen.« Er bedeutete Horace, das Päckchen
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