Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
müssen jedoch Neutralität bewahren. Wenn wir uns einmischen, wenn wir Stellung beziehen, dann setzen wir diese Neutralität aufs Spiel«, erklärte er. »Verstehst du das nicht? Wir können uns das einfach nicht leisten.«
»Um ehrlich zu sein, verstehe ich das sehr wohl«, sagte Horace. »Aber es ist ein wenig spät, sich zu sorgen, was geschehen wird, wenn wir Stellung beziehen. Ich fürchte, das habe ich bereits getan.«
George sah ihn etwas ratlos an. »Ich verstehe nicht …«
Horace schnitt ihm den Satz ab. »Während du vorhin dein kleines Nickerchen gehalten hast, habe ich zwei von Arisakas Senshi getötet. Ich nehme an, das kann man als Stellung beziehen betrachten, oder nicht?«
George warf entsetzt die Hände in die Luft. »Du hast was getan? Wie konntest du nur so töricht sein, Horace? Du hättest es doch wirklich besser wissen müssen. Warum hast du das gemacht? Nenn mir den Grund!«
Bevor Horace antworten konnte, hüstelte der Kaiser höflich und legte beruhigend die Hand auf George’ Unterarm.
»Der Grund ist ganz einfach. Man hat versucht, mich zu ermorden«, sagte er schlicht.
Die Worte des Kaisers stürzten George in große Verlegenheit. Horace merkte, dass es seinem Freund die Sprache verschlagen hatte, und nutzte seinen Vorteil aus.
»Ich hab einfach nicht nachgedacht, George«, sagte er und über sein Gesicht huschte ein Lächeln. »Ich hätte wahrscheinlich erst noch die protokollarischen Richtlinien durchlesen sollen, um herauszufinden, was zu tun ist, wenn jemand versucht, den Kaiser zu töten. Aber, na ja, ich bin einfach dazwischengegangen und habe sie so gut ich konnte aufgehalten.«
Shukin musste ebenfalls lächeln. Doch die nächsten Worte des Kaisers vertrieben jede Heiterkeit.
»Arisaka könnte dieses Eingreifen als einen noch größeren Affront betrachten als das Töten zweier seiner Männer«, sagte Shigeru.
»Seine Exzellenz hat recht«, sagte Shukin ernst. »Das macht Or’ss-san zu seinem Todfeind. Arisaka mag es nicht, wenn seine Pläne durchkreuzt werden.«
George blickte von einem zum anderen und suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser misslichen Lage.
»Aber er muss es doch nicht erfahren, oder? Wir sind meilenweit im Nirgendwo, in einem abgelegenen Wald in den Bergen! Wer soll es ihm schon sagen?«
»Vielleicht die zwei Soldaten, die uns entwischt sind«, sagte Horace trocken. »Ich würde es an ihrer Stelle jedenfalls tun.«
George sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Entsetzt schüttelte er den Kopf.
»Hervorragend!«, seufzte er. »Du hast Zeugen entkommen lassen! Wenn du schon mitgemischt hast, Horace, warum hast du es dann nicht gleich richtig erledigt?«
Horace sah ihn stirnrunzelnd an. »Willst du damit andeuten, unser diplomatischer Status wäre besser, wenn ich noch zwei weitere von Arisakas Männern getötet hätte?«, fragte er.
»Nein. Nein. Nein!«, sagte George und gab sich geschlagen. »Tja, du hast unser Bett gemacht. Jetzt müssen wir darauf liegen.«
Eine Weile herrschte Schweigen. Shukin und der Kaiser tauschten betretene Blicke aus. Horace nickte ihnen beinahe unmerklich zu. Er ahnte, was sie dachten.
»Wenn Ihr uns für einen Moment entschuldigen würdet, Eure Exzellenz?«, sagte er.
Shigeru neigte zustimmend den Kopf, und Horace forderte George auf, mit ihm ein Stück weiter wegzureiten. George folgte ihm und sah ihn fragend an. »Was ist denn jetzt noch?«, wollte er wissen, sobald sie außer Hörweite waren. »Was hast du noch getan, während ich bewusstlos war, denn ich war nämlich bewusstlos, musst du wissen. Ich hatte einen verdammt großen Pfeil in meinem Arm stecken!« Letzteres fügte er leicht aufgebracht hinzu. Horace’ Scherz bezüglich seines »kleinen Nickerchen« ärgerte ihn immer noch.
Horace machte eine beruhigende Geste. »Ich weiß, ich weiß. Tut mir leid, dass ich das gesagt habe, George. Schließlich hast du mein Leben gerettet.«
George wirkte besänftigt, denn es gab wahrhaftig nicht allzu viele Leute, die das von sich behaupten konnten. Horace brauchte eigentlich niemanden, der sein Leben rettete. Er konnte ziemlich gut auf sich selbst aufpassen. Unwillkürlich fragte sich George, ob sein einstiger Mitbewohner im Waisenhaus, der berühmte Will Hallas, auch schon einmal Horace das Leben gerettet hatte.
»Ja, nun. Schon in Ordnung. Aber worüber wolltest du denn reden?«
»George«, begann Horace, dann zögerte er. »Ich weiß nicht, wie ich das taktvoll erklären soll, also sag ich
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