Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
schüttelte sie – eine scherzhafte Reaktion auf Eikos kräftigen Griff.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Eiko. Ich bin Shigeru Motodato.«
Ein atemloses Raunen ging durch die Reihen der Dorfbewohner. Natürlich kannten sie diesen Namen. Es hatte Gerüchte gegeben, dass Shigeru sich in seinem Sommerpalast aufhielt, nicht sehr weit von hier. Und sie hatten auch andere Gerüchte gehört. Es hieß, dieser Kaiser sei ein Freund der niederen Klassen und dass er frei heraus mit Bauern, Fischern und Holzfällern spräche, wenn er ihnen begegnete, statt steif und unnahbar zu sein.
»Oh«, sagte Shigeru, als wäre ihm das gerade erst eingefallen, »manchmal sprechen die Leute mich auch als ›Kaiser‹ an.«
Er drehte sich im Kreis, lächelte die Leute an und ließ dabei seinen Mantel aufklappen, damit alle das Wappen auf der linken Brustseite seiner Tunika sahen – drei stilisierte rote Kirschen. Das war das königliche Wappen, das natürlich in ganz Nihon-Ja bekannt war.
Jetzt wurde aus dem überraschten Flüstern ein ehrerbietiges Murmeln und alle Dorfbewohner beugten den Kopf und ließen sich auf ein Knie fallen, aus Respekt vor dem Kaiser. Denn sie hatten keinen Zweifel, dass er es war. Dass jemand anderes als der Kaiser oder sein Gefolge das königliche Wappen trug, war undenkbar und ein Vergehen, das mit dem Tod bestraft wurde. Niemand würde so töricht sein, dies zu tun.
Shigeru machte einen weiteren Schritt auf die Dorfbewohner zu. Er trat zu einer älteren Frau mit grauen Haaren, die von lebenslanger Arbeit gezeichnet war, beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand, um ihr sanft aufzuhelfen.
»Bitte! Aber bitte! Es gibt keine Notwendigkeit für solche Formalitäten. Mütterchen, hoch mit dir! Beschmutze dich nicht meinetwegen mit diesem zähen Schlamm!«
Die Frau erhob sich mit gebeugtem Kopf. Shigeru streckte die Hand aus und hob das Kinn der alten Frau an, sodass sie sich in die Augen blicken konnten. Er sah Überraschung gemischt mit Respekt und dann ein plötzliches Aufschimmern von Zuneigung in dem faltigen Gesicht.
»Das ist schon besser! Schließlich hast du dein ganzes Leben lang gearbeitet, nicht wahr?«
»Ja, mein Herr!«, murmelte sie.
»Härter als ich, möchte ich wetten. Hast du Kinder?«
»Acht, mein Herr.«
»Ach? Meine Herren!«, sagte Shigeru und wurde mit lautem Gelächter für seine humorvolle Erwiderung belohnt. »Dann hast du auf jeden Fall härter gearbeitet als ich!«
»Und siebzehn Enkel, mein Herr!«, fügte die Frau hinzu. Shigeru stieß einen bewundernden Pfiff aus.
»Siebzehn! Ich möchte wetten, du verwöhnst sie, was?«
»Gewiss nicht, Eure Herrschaft!«, entgegnete sie entrüstet. »Wenn sie mich ärgern, kriegen sie es auf ihrem Hintern zu spüren.«
Sie schlug entsetzt die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, dass sie im Beisein des Kaisers »Hintern« gesagt hatte. Aber Shigeru lachte nur.
»Nichts, wofür man sich schämen müsste, Mütterchen. Wir alle haben schließlich einen Hintern.«
Das Gelächter wurde lauter. Shigeru drehte sich zu den Dorfbewohnern und forderte sie mit einer Geste auf, sich zu erheben. »Bitte! Ich bitte euch! Keine Verbeugungen mehr! Steht alle auf!«
Sie folgten seiner Aufforderung mit einer Mischung aus Verwunderung und Freude über sein zwangloses Verhalten. Sie waren eine kluge Gemeinschaft und ließen sich nicht leicht täuschen. Und wie die meisten Menschen, die Shigeru zum ersten Mal trafen, spürten sie, dass er es ehrlich meinte. Er mochte Menschen. Er genoss es, sie kennenzulernen und mit ihnen zu lachen. In ihm war weder Falschheit noch Dünkel.
Fast unbewusst rückten die Dorfbewohner ein wenig näher an ihren Kaiser. Aber darin lag keine Bedrohung. Sie wollten einfach einen besseren Blick auf ihn haben. Es war ungewöhnlich, dass eine so hochgestellte Person ein so kleines Dorf besuchte und dann auch noch mit den Bewohnern lachte und scherzte.
»Dies ist ein hübscher Ort«, sagte Shigeru, während er die Reihen ordentlich mit Stroh gedeckter Hütten betrachtete. »Wie nennt ihr ihn?« Er wählte einen Jungen für seine Frage aus, der gerade mal an der Schwelle zum Erwachsenenalter stand.
Der Junge brachte zunächst kein Wort heraus. Mit großen Augen starrte er seinen Kaiser an und konnte nicht glauben, dass er von einer so wichtigen Person angesprochen worden war. Eine Frau, die neben ihm stand, wahrscheinlich seine Mutter, stieß ihn mit dem Ellbogen an und zischte ihm etwas zu. Hastig stammelte er eine
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