Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
kleinere Räume ab. Die Überreste von großen Regalen lagen dort herum. Dazu zertrümmerte Kisten und andere Gefäße. Vermutlich handelte es sich um ehemalige Lagerräume. Im hinteren Teil des Gebäudes stießen sie auf ein Treppenhaus. Die Treppe nach oben endete nach gut zwei Metern. Wo sich früher mindestens ein weiteres Stockwerk befand, klaffte jetzt ein großes Loch. Es existierte aber auch eine Treppe, die nach unten führte. Anscheinend hatte dieses Gebäude einen Keller. Snip holte die Laterne heraus, die Francis Dugginworth III. ihnen geschenkt hatte und leuchtete hinab. Da unten schien ein Raum zu sein. Langsam und mit der gebotenen Vorsicht gingen sie die Treppe hinab. Es roch muffig hier trotz der allgegenwärtigen Trockenheit. Der enge Kellerraum bot nicht viel Platz. Die niedrige Decke hing nur wenige Zentimeter über Noggs Kopf. In der gegenüberliegenden Wand befand sich eine stabile Holztür. Mit einem kräftigen Ruck und auf alles gefasst riss der Ork die Tür auf. Ohne nennenswerten Widerstand sprang sie auf; ja, fast wäre sie aus den Angeln gefallen. Dahinter lag ein dunkler leerer Gang. Snip leuchtete hinein und entdeckte mehrere Türen, die von dem Gang abgingen. Mit etwas weniger Energie öffneten sie auch diese und fanden dahinter weitere Lagerräume. Sorgfältig durchsuchten sie jede Ecke nach möglichen Hinweisen. Aber da schien nichts zu sein. Gerade wollten sie sich wieder zum Gehen umdrehen, da vernahmen sie ein leises Geräusch. Ein verschämtes Schluchzen. Snip drehte die Laterne auf die höchste Helligkeitsstufe und leuchtete damit den Raum systematisch aus. Und tatsächlich, da war etwas. Sie glaubten ihren Augen nicht zu trauen: Auf einem umgestürzten Steintrog saß eine durchscheinende Gestalt, den Kopf in die Hände vergraben, und weinte bitterlich. Offenbar bemerkte sie die Ankömmlinge erst jetzt. Erschrocken schaute sie auf und blickte sich mit ihren großen dunklen Augen hastig nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber der helle Lichtkegel hielt sie förmlich gefangen. Den Grünhäuten verschlug es die Sprache. Sie standen einem echten Geist gegenüber. Allerdings wirkte der überhaupt nicht angsteinflößend, sondern eher mitleiderregend. Es handelte sich um einen Mann. Er trug Kleidung, wie sie vor vielen hundert Jahren einmal modern gewesen sein musste. Seine Haare wirkten zerzaust, die Wangen eingefallen. Snip fand als erster die Sprache wieder. „Wer bist du?“, fragte er den Geist zögernd. Der musterte die Grünhäute ausgiebig und dachte angestrengt darüber nach, was er tun sollte. Dann verzog er das Gesicht zu so etwas wie einem Grinsen. Das sah in der Tat schrecklich aus . „Im Leben hörte ich auf den Namen Ragum Dahb. Ich war ein angesehener und wohlhabender Kaufmann. Doch nun bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst.“ Bei diesem Wortspiel giggerte leise vor sich hin. Dem Goblin dämmerte bei diesen Worten allmählich, welche Chancen sich durch den Geist für sie boten. „Mein Name ist Snipgut.“, stellte er sich vor und verneigte sich leicht, „Und das sind meine Freunde Nogg und Bikka. Wir sind hierher nach Gash gekommen, weil wir uns auf der Suche nach dem Grab des Mach Na Dun befinden. Mit großem Entsetzen mussten wir feststellen, welch schlimmes Schicksal diese Stadt ereilt hat. Was ist hier nur geschehen?“ Ragum Dahb richtete sich ein wenig auf und stellte sich in Pose. „Nun, das ist eine traurige Geschichte. Dereinst war Gash eine blühende Stadt. Viele wichtige Handelsstraßen liefen hier hindurch. Den Menschen ging es gut. Alle waren glücklich und zufrieden. Doch einige bekamen nicht genug von dem Reichtum, den der Handel der Stadt einbrachte. Sie wollten immer mehr. So kam es zum Streit. Vor allem unser Fürst Hakan und sein Bruder Samesh, der der reichste Kaufmann der Stadt war, trieben es besonders wild. Eines Tages erzürnten sie sich miteinander. Es kam zum Bruch, und ein heftiger und erbitterter Kampf zwischen den beiden folgte. Nach und nach wurde die ganze Stadt in die Fehde mit hineingezogen. Die Gewalt nahm Überhand. Gebäude standen plötzlich in Flammen. Menschen verschwanden auf mysteriöse Weise. Viele mussten ihr Leben lassen. Auch ich. Schließlich siegte Hakan. Samesh wurde aus der Stadt verbannt. Doch bevor er ging, sprach er einen mächtigen Fluch aus. Keiner wusste, woher er ihn hatte, doch er trieb Gash in den Untergang. Eine Katastrophe nach der anderen suchte die Stadt heim: gewaltige Stürme, brandschatzende
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