Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
„Phantom“ nahm das Artefaktsehr vorsichtig in die rechte Hand und schaute es sich eine Weile an. Er drehte es in alle Richtungen, neigte es in den unterschiedlichsten Winkeln. Dann wandte er sich wieder an Snip. „Ich würde mir gerne eine kleine Skizze davon machen. Das wird mir bei der Suche sehr helfen. Ist das für euch in Ordnung?“ Der Goblin nickte. Gelassen griff das „Phantom“ in seinen Mantel und förderte ein Blatt Papier sowie ein Stück Kohle zu Tage. Das Papier legte er über das Amulett, um anschließend mit leichtem Druck die Kohle darüber zu reiben. Ein Abdruck des Amuletts erschien auf dem Papier. Snip staunte über diese einfache, aber überaus effektive Technik. Dann faltete der Mensch das Papier zusammen und verstaute es zusammen mit der Kohle wieder in seiner Tasche. Als er seine Hand herauszog, hielt er etwas anderes in seiner Hand. Auf den ersten Blick konnte Snip es nicht sofort erkennen. Das kleine Etwas glänzte und reflektierte das Licht der Leuchter im Raum. Schließlich realisierte der Goblin, dass es sich um ein kleines Fläschchen handelte. Im nächsten Moment überschlugen sich die Ereignisse. Das Fläschchen fiel zu Boden und zerbrach. Die Flüssigkeit, die sich darin befand, trat aus und verwandelte sich augenblicklich in dichten Nebel. Das ganze passierte so schnell und überraschend, dass weder Snip noch seine Gefährten etwas unternehmen konnten. Eingehüllt in den Nebel konnten sie nicht mehr das Geringste erkennen. Dafür hörten sie, wie ein Stuhl umfiel und Schritte, die sich hastig entfernten. Eine Tür klappte und ein leichter Windzug wehte in den Raum. Bikka hatte sich als erster wieder gefangen. Mit einem Schrei der Wut sprang er auf und stürmte auf die Stelle zu, von der der Luftzug kam. Mit lautem Krachen stieß seine Hüfte gegen den Tisch. Er schrie nochmals auf, dieses Mal vor Schmerz. Trotzig lief er weiter und erreichte Sekunden später den Ausgang. Hastig sog er die Nachtluft in seine Lungen ein und schaute sich um. Der Ausgang führte direkt auf eine kleine Gasse hinter dem Gebäude, die vermutlich in den Park führte. Der Dieb hatte schon einigen Vorsprung herausgearbeitet, war aber noch zu sehen . Bikka rannte, so schnell er konnte, und wünschte sich sehnsüchtig seinen Wolf herbei. Das „Phantom“ schlängelte sich geschickt an den wenigen Leute vorbei, die auf der Straße unterwegs waren. Brav machten die meisten Platz, so dass die Verfolgungsjagd kaum behindert wurde. Nur ein Passant kam nicht so schnell weg. Im Vorbeirennen erhielt er vom Flüchtenden einen heftigen Stoß mit der Schulter und landete mitten in einer Pfütze. Währenddessen realisierte Bikka, dass der Abstand zum Verfolgten nicht kleiner, sondern eher größer wurde. Dann bog der Dieb um eine Ecke und war aus dem Sichtfeld des Wolfsreiters verschwunden. Er fluchte wie wild und verlangsamte allmählich seine Schritte. Von hinten schlossen auch schon Snip und die Orks zu ihm auf. Die vier schauten sich entgeistert an, während sie langsam weitergingen. Sie hatten sich doch tatsächlich von diesem Ganoven hereinlegen lassen – aller Warnungen des Wirtes zum Trotz. Und jetzt war das Amulett weg. Snip hätte am liebsten laut losgeheult. Inzwischen erreichten sie die Stelle, wo das „Phantom“ den Passanten über den Haufen gerannt hatte. Der Passant stand gerade auf und wischte sich den Dreck von der Kleidung, so gut es eben ging. Die vier staunten nicht schlecht, als sie merkten, dass es sich dabei um einen Goblin handelte. Er war ein wenig größer als Snip und Bikka. Die langen Arme und Beine ließen ihn leicht schlaksig wirken. Sein Gesicht erschien fremdländisch. Die Augen standen leicht schräg nach oben, die Wangenknochen zogen sich höher hin, als bei den Goblins in Snips Heimat. Ganz besonders faszinierte Snip und Bikka aber, dass bei diesem Goblin tatsächlich Haare auf dem Kopf wuchsen. So etwas hatten sie noch nie gesehen und starrten den Fremden unverhohlen an. Dieser hatte das schwarze Haupthaar zu einem langen Zopf zusammengebunden, der ihm über den Rücken fiel. Über seiner Oberlippe zeichnete sich ein dünner Bart ab, über den er sich gerade gedankenverloren strich. Leicht amüsiert schaute er sich die vier Ankömmlinge an, die ihn so aufmerksam musterten. Dann bewegte er sich mit federndem Schritt auf sie zu. „Kann es sein“, hob er mit einem sonderbaren melodischen Akzent zu reden an, „dass ihr das hier verloren habt?“ Dabei öffnete er seine Hand
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