Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
mich wegen meines Abgangs erst mal lebendig häuten. Um ihre Hilfe zu gewinnen, brauchte ich ein Wunder Khalmets. Ein Mal hatte ich sie schon in Gefahr gebracht; sie zum zweiten Mal in die Scheiße hineinzuziehen war das Letzte, was ich wollte. Ich beschloss, mir die Sache aus dem Kopf zu schlagen.
Vergeblich. Das ganze Risiko trägst doch du, hörte ich Jylla sagen. Ihr wird schon nichts passieren. Willst du diese alberne Befreiung durchziehen? Oder willst du doch noch kneifen, weil du nicht den Mumm hast, Cara gegenüberzutreten?
Na schön. Ich würde also hingehen und mit ihr reden. Vorausgesetzt, sie ließ mich zu Wort kommen, bevor sie mich mit einem Tritt an die Luft beförderte. Ich hatte nichts zu verlieren, außer meinem Stolz. Cara war so ehrlich und vertrauenswürdig, wie man nur sein kann. Egal, wie sauer sie war, sie würde mich an keinen Menschen verpfeifen. Ich brauchte sie also nur zum Zuhören zu bewegen.
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Am Abend lag ich auf dem Dach des Stalls der Silberader. Es war leicht herauszufinden gewesen, wo Cara sich in Kost einquartiert hatte. Sie ging immer entweder in den Braunbären oder in die Silberader, weil das angeblich die einzigen Gasthäuser waren, wo es anständiges Dunkelbier gab. Wie viele Ninaveler trank ich lieber Wein oder Schnaps, aber Caras Familie stammte aus dem hohen Norden, wo Bier praktisch eine Religion war.
Vom Stalldach aus konnte ich quer über den morastigen Hof zu den Fenstern der Gästezimmer sehen. Caras war das zwölfte im obersten Stock. Es brannte kein Licht darin. Wie ich Cara kannte, würde sie lange unten im Schankraum bleiben, trinken und quatschen und dann einen in ihr Bett mitnehmen. Bei einer Nummer im Bett könne man am besten das Ende eines Konvoiauftrags beschließen, meinte sie immer. Eine gute Reise müsse gefeiert werden, nach einer schlechten brauche man eine Ablenkung. Diesmal brauchte sie eine verdammt gute Ablenkung, das stand fest.
Aus Angst vor Diebstahl würde sie den Liebhaber nicht bei sich schlafen lassen. Das hieß also abwarten, bis sie ihren Spaß gehabt hatte, und hinterher mit ihr reden. Auf diese Weise wäre sie vielleicht zu müde, um mich rauszuwerfen, und dabei noch bester Laune.
Es stand nicht zu befürchten, dass sie die Fensterläden dichtmachte. Sie hatte oft genug erzählt, wie gern sie vom Bett aus den Himmel sah. Und das Beste von allem: Weder das Fenster noch das Dach waren mit Schutzzeichen versehen. Die meisten Gasthäuser am Fluss überließen die Sache mit dem Schutz ihren Gästen. Das sparte die Kosten ständiger Erneuerung.
Schwierig war nur das Wachbleiben. Verglichen mit dem Abflussrohr war das Stalldach ein Federbett. Ich musste auf sämtliche Tricks zurückgreifen, die ich in meiner behafteten Zeit gelernt hatte, damit mir nicht die Augen zufielen. Als Behafteter lernt man früh und schnell, wie man eine ganze Nacht wach bleibt, weil man nicht nur den Zorn des Hehlers, sondern auch die Witze der anderen Kinder zu fürchten hat.
Gerade als ich dachte, ich müsste mir die Hand anritzen, ging in Caras Zimmer die Tür auf und ließ warmes Licht hinein. Cara und ein Mann mit der dunklen Haut und den bunten Klamotten der Sulaner taumelten herein und fummelten sich schon gegenseitig an den Hemdschnüren. Cara machte sich kurz los, um eine Kerze anzuzünden und die Tür zu schließen. Dann küsste sie ihn wild und ließ ihr Hemd hinunterrutschen, sodass ihr glatter, muskulöser Rücken zum Vorschein kam.
Ich sah weg und fluchte leise, weil sich bei mir auch einiges regte. Verflucht noch eins, ich brauchte keine Ablenkung. Im Lauf der Jahre hatte ich genug wilde Fantasien mit Cara gehabt, aber mehr auch nicht. Während meiner Sommer in den Bergen hatte Jylla sich jede Menge andere Liebhaber genommen, und ich war auch kein Kind von Traurigkeit gewesen, aber Cara hatte vom ersten Tag an klargemacht, dass sie keine Vorreiter mit ins Bett nahm.
Ein kurzer Blick auf die dunklen Hände an ihrer Haut, und mir strömte eine Bilderflut von Jylla durch den Kopf. Sie war im Bett genauso tatkräftig und geschickt gewesen wie bei allem, was sie anfasste. Bei den Göttern, die wilden Nächte, die wir gehabt hatten … Ich bohrte mir die Zähne in die Lippe undhätte mir am liebsten die Stirn am Dach blutig geschlagen. Na, wenigstens war ich jetzt hellwach.
Endlich bewegten sich die beiden zum Bett hinüber, wo ich sie nicht sehen konnte. Ich krümmte die Finger um die Holzschindeln und zügelte meine durchgehende Fantasie.
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