Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Grenze zu schmuggeln und an einen anderen Magier zu verkaufen, der einen Krieg anfangen will? Mist gebaut ist gar kein Ausdruck. Das ist eine Katastrophe. Wie viele gute Leute sind jetzt tot wegen eurer Habgier?«
»Ich sag doch, ich wusste nicht, dass …!« Den Rest verkniff ich mir. Wenn ich mich mit Cara auf einen Wortwechsel einließe, würde ich keinen kühlen Kopf bewahren können. Und außerdem hatte sie nicht ganz unrecht. Hätte ich den Auftrag abgelehnt, wären Steffol, Joreal, Harken und die anderen noch am Leben.
»Dass sie tot sind, lässt sich nicht wiedergutmachen«, sagte ich mit enger Kehle. »Aber vielleicht kann ich verhindern, dass noch mehr draufgehen. Und Kiran … Ich fand zuerst, er sollte für Harkens Tod bezahlen, auch wenn er den Konvoi eigentlich gerettet hat. Aber als ich sah, wie Simon ihn beglotzte, so …« Ich fand kein Wort, das diese Mischung aus Lust, Hunger und unheilvollem Entzücken beschrieb, und gab es auf. »Kiran ist ein Blutmagier, aber er hat nicht verdient, was Simon mit ihm vorhat.«
Cara strich über die Messerklinge und sah mich bitter an. »Komisch, dass dir erst Gewissensbisse kamen, nachdem du den Zaster in der Tasche hattest.«
»Ja, ich hätte eher nachdenken sollen. Aber besser spät als nie, nicht wahr? Sethan …« Es schnürte mir die Kehle zu, und ich musste jedes Wort durchzwängen. »Sethan würde mir nie verzeihen, wenn ich jetzt abhaute.«
Caras Blick hätte einen Felsen durchbohrt. »Komm mir jetzt nicht mit dieser Scheiße. Jetzt kümmert dich plötzlich, was Sethan gewollt hätte? Als du uns im Stich gelassen hast, war dir das scheißegal. Und auch schon, als du den Auftrag angenommen hast.«
»Mir war noch nie egal, was Sethan wollte«, fauchte ich. »Ich habe den Auftrag nicht aus Habgier angenommen. Ich brauche das Geld gerade seinetwegen.«
Cara schaute skeptisch. »Tote brauchen kein Geld mehr.«
Ich lehnte mich gegen die Wand, als könnte mir das Kraft geben, auch den Rest zu erzählen. Dabei war mir bei der Entscheidung, zu Cara zu gehen, gleich klar gewesen, dass ich nicht darum herumkommen würde. All die Jahre hatte ich mein Versprechen zu schweigen gehalten, aber Sethan würde es sicher verstehen, dass ich es jetzt brechen musste.
»Sethan ist tot, aber seine Tochter nicht.«
»Seine Tochter?« Sie sah mich an, als hätte ich behauptet, Sethan könne über den Kanyalin springen.
Ich wusste, warum sie so verblüfft war. Sethan war in Piadrol geboren und aufgewachsen, der Festung der Dalradischen Kirche unten im Süden an der sulanischen Grenze. Dalradianer hatten viele verrückte Vorstellungen, aber am verrücktesten war ihre Besessenheit, was die Reinheit ihrer Abstammung betraf. Ein Mischlingskind wurde als Gotteslästerung betrachtet und die Eltern wurden verdammt, alles nur weil ihre Priester so darauf erpicht waren, das Blut ihrer geheiligten Vorfahren rein zu halten. Sethan war nicht ganz so bescheuert gewesen wie die übrigen Dalradianer, und er hatte sich seiner Familie widersetzen müssen, um nach Ninavel zu ziehen, aber gegen dieses Gebot hatte er nicht verstoßen wollen.
Cara kam erneut die Wut hoch, schlimmer als vorher. »Mir hat Sethan erzählt, dass er aus Piadrol geflohen ist, bevor die Priester ihn verloben konnten. Wenn du erwartest, dass ich dir mehr glaube als ihm …«
»Nein! Er war nicht verheiratet, bloß gutgläubig. Er war ein netter Kerl und manchmal eben zu nett. Er hatte eine Schwäche für traurige Fälle …«
»Wie dich«, warf Cara düster ein.
»Ja. Jedenfalls lernte er vor dreizehn Jahren im Acaltar-Viertel eine junge Frau kennen, und die verführte ihn nach Strich und Faden, klimperte mit den Wimpern, spielte die niedliche Hilflose, machte ihn verliebt und manipulierte dann ihr Fruchtbarkeitsamulett. Als sie schwanger war, zeigte sie die Krallen. Sie drohte, ihn bei den Priestern in Piadrol anzuzeigen, wenn er ihr nicht regelmäßig etwas von seinen Einnahmen abgäbe.«
»Ach du meine Güte.« Cara ließ endlich das Messer sinken. »Und Sethan hat sich für sie glatt überschlagen, stimmt’s?« Sie schüttelte den Kopf. »Warum hat er das keinem erzählt?«
»Aus demselben Grund, warum er sich überschlagen hat. Er wollte nicht, dass nach Piadrol was durchsickert. Er wäre für immer ausgeschlossen worden, und kein Dalradianer hätte je wieder seinen Namen in den Mund genommen. Er hing zu sehr an seinen Geschwistern, konnte den Gedanken nicht ertragen, nie wieder von
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