Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
schmerzenden Muskeln, während Dev die Wasserschläuche füllte. Kiran trank gierig, er fühlte sich wie ausgedörrt. Dev betrachtete den Himmel und zog die Brauen zusammen.
Kiran sah nur im Westen ein paar hohe dünne Wolken, die sich zu Streifen verbanden. »Was glaubst du, womit wir zu rechnen haben?«
»Es ist noch zu früh, um zu sagen, was da auf uns zukommt und wie schnell es uns erreichen wird. Aber keine Frage, da braut sich was zusammen. Wir gehen einfach weiter. Wenn ich’s weiß, sag ich’s dir.«
Kiran stieg im Kriechtempo den Berg hinauf. Dev bewegte sich mit der gewohnten Spannkraft. Er machte ein paar schnelle Schritte hintereinander und blieb dann stehen, bis Kiran keuchend aufgeholt hatte.
Am späten Nachmittag zitterten Kiran die Knie, obwohl er bei jeder Gelegenheit Ikilhia von den Bäumen stahl. Schließlich musste er Dev um eine weitere Pause bitten. Dev musterte ihn, dann nickte er. Dankbar ließ sich Kiran auf einen Stein sinken.
Dev hockte sich neben ihn. »Dein Freund Ruslan macht keine halben Sachen. Siehst du die Wolke da?« Er zeigte auf eine sehr lange, sonderbar glatte Wolke mit scharfen Konturen. Die dünnen Wolkenfetzen im Westen hatten sich als Schleier über dieSonne gelegt. »Die kündigt einen mörderischen Sturm an und wächst schneller, als ich es je gesehen habe.«
»Ein Gewitter?« Kiran erbleichte. Seine Erschöpfung war so groß, dass er bezweifelte, seine Barriere unter einem langen magischen Angriff aufrechterhalten zu können.
»Wenn’s nur das wäre«, sagte Dev. »Nein. Merkst du nicht, wie kalt es auf einmal geworden ist?«
Jetzt, wo Kiran sich gerade nicht den Berg hinaufquälte, fühlte er auch die kalte Luft. Er hatte aber angenommen, dass es bloß an der Höhe lag. Aber wenn es hier so kalt war wie am Eissee … »Du meinst, es gibt einen Schneesturm?«
»Ja. Einen starken, und schon bald. Wir müssen schnellstens einen Unterschlupf finden. Die gute Nachricht ist, dass ich eine Höhle kenne, in der wir ausharren können.«
»Wäre es nicht besser, zurück zwischen die Bäume zu gehen?«
Dev schüttelte den Kopf. »Der Schnee wird sich zwischen den Bäumen sammeln, weil es dort windgeschützt ist, und weich bleiben. Durch so tiefen weichen Schnee zu laufen ist auslaugend und man kommt nur langsam voran. Wir würden Tage brauchen, um aus der Schlucht herauszukommen. Weiter oben gefriert der Schnee im Wind zu einer festen Masse. Dann können wir Steigeisen benutzen und gleich weitergehen, wenn der Sturm vorbei ist. Außerdem wird Ruslan wohl damit rechnen, dass wir dort unten Schutz suchen. Dann bräuchte er nach dem Sturm nur den Talboden entlangzulaufen, bis er uns überrascht oder unsere Spur im Schnee findet.«
»Ich verstehe.« Kiran wappnete sich dafür, das Brennen in seinen Oberschenkeln zu übergehen.
»Eines muss ich noch wissen.« Dev fasste prüfend an Kirans Jacke und Decke, die am Rucksack hingen. »Khalmet sei Dank, dein Zeug ist wieder trocken. Wenn der Sturm einsetzt, müssen wir irgendwie warm bleiben. Kann Ruslan die Magie eines Feuersteinamuletts spüren?«
»Solange ich mit meinem Amulett in der Nähe bin, nicht.« Kiran schaute zur Steilwand gegenüber und wünschte prompt, er hätte es nicht getan. Die Baumgrenze schien noch unmöglich weit weg zu sein. »Wie weit ist es noch bis zu dieser Höhle?«, fragte er und fürchtete sich schon vor der Antwort.
»Noch ein gutes Stück. Aber bis zur Dunkelheit werden wir es wohl schaffen.« Sofern du den Arsch hochkriegst und weiterläufst, stand auf Devs Stirn geschrieben.
Kiran stand auf und verkniff sich ein Stöhnen, als sich das Gewicht des Rucksacks auf seine Schultern senkte. »Also gut. Ich bin marschbereit.«
Während er einen langsamen Schritt nach dem anderen tat, dachte er an den Ansturm von Magie zurück, der ihn am Fluss getroffen hatte. Um einen so schweren Sturm zu bilden, musste Ruslan einen voll gelenkten Zauber gewirkt haben. Das erforderte einen Lenker und einen Bündeler, und das hieß, Ruslan war nicht allein unterwegs.
Kiran drehte sich der Magen um. Ihm war klar, wen Ruslan mitgenommen hatte. »Mikail«, flüsterte er. Sein Zauberbruder, sein engster Freund und Vertrauter half Ruslan bei der Jagd … Es zog ihm das Herz zusammen vor Enttäuschung, und zugleich liefen ihm Angstschauder über den Rücken. Schwer atmend ging er schneller.
ELF
DEV
Bis wir im Bärenfang-Kar ankamen, war der Himmel bleigrau. Schneeflocken winzig wie Sandkörner wirbelten
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