Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
rauer Stimme. »Der Tod setzt Kräfte frei, und ein gewaltsamer Tod umso mehr. Aber ich habe nicht gelogen – ich bin nicht wie Ruslan. Ich wollte Leben retten, nicht …«
»Ruslan! Er ist auch ein Blutmagier, stimmt’s? Scheiße!« Cara und die anderen in der Hand eines Magiers, der Leute in blutige Fetzen schnitt, um zu zaubern – und einmal hatte er schon gezaubert. O ihr Götter! »Wie viele hat er umgebracht für diesen Sturm?«
Kiran schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich weiß es nicht«, sagte er zögernd. »Ich hoffe … nicht mehr als einen. Er würde keinen nehmen, der ihm nützlich erscheint, nicht Cara oder Jerik.«
»Als wäre es dadurch besser! Tu nicht so, als würde es dir was bedeuten, du irrer Hurensohn. Ich hab deinen Blick gesehen, wenn du von Magie sprichst. Ich weiß, wie sehr du dich danach sehnst – du kannst es kaum erwarten, wieder jemanden umzubringen, wie?«
»Du weißt gar nichts!« Er ließ die Hände sinken und schaute mit großen Augen durch die wirren Haarsträhnen. »Ich wollte das so nicht, niemals!« Es mündete in einem erstickten Schrei.
»Was soll das heißen?«
»Ich hab’s doch schon gesagt: Ich gebe lieber meine Magie für immer auf, als sie zu nutzen wie Ruslan!«
»Stimmt, diese rührselige Geschichte kenne ich schon – was hast du diesmal ausgelassen? Lass mich raten. Du hast liebend gern Leute umgebracht, solange du das Sagen hattest, aber dann kreuzte er auf und verlangte von dir, dich nach ihm zu richten, und das hat dir gestunken und …«
»Nein!« Seine Stimme kippte. »Ruslan ist … war … meinLehrmeister. Was Blutmagie wirklich ist, habe ich erst begriffen, als es zu spät war. Danach versuchte ich, mich davon abzukehren, aber Ruslan denkt, ich sei sein Besitz. Er wird mich nie aufgeben …«
»Ach komm! Jahrelang hast du mit Blutmagie geübt und willst behaupten, nicht Bescheid gewusst zu haben?«
»Ich habe nie …!« Kiran brach ab und fuhr sich mit zitternden Händen durch die Haare. »Ruslan hat uns aufgezogen und von anderen Leuten ferngehalten. Er hat unsere Magie blockiert, nur unter sorgfältig beherrschten Bedingungen zugelassen. Er sagte, uneingeschränktes Zaubern sei zu gefährlich, bis wir erwachsen geworden sind. Wir lernten nur das Theoretische und machten Übungen. Es gibt ein Ritual, das er vollführte, als wir erwachsen geworden waren.« Er sackte in sich zusammen und schloss die Augen. Aschfahl war er. »Das Akhelashva-Ritual, für das man große Kräfte braucht. Da sah ich zum ersten Mal, was Blutmagie wirklich ist.«
Ich runzelte die Stirn. Hörte sich an, als zeichnete er das verklärte Bild des Chefs einer Diebesbande. Der Rote Dal führte seine Behafteten an der kurzen Leine und hielt sie bis zum Schluss unwissend. Ganz zu schweigen von diesem Wir-Getue. »Wie viele Kinder hält sich Ruslan?«
Kiran machte die Augen auf und wirkte überrascht. »Jetzt keine. Mikail und ich waren seine einzigen Lehrlinge. Die Akheli nehmen nie mehr als zwei«, erklärte er in einem Ton, als wüsste das doch jeder.
»Warum nicht?« Ich dachte, ein Blutmagier würde sich viele halten, um sich wie ein Herrscher aufführen zu können.
»Bei komplexen Zaubern müssen zwei Magier zusammenarbeiten, und das ist nicht leicht zu erlernen. Einfacher wird es, wenn zwei Lehrlinge das gemeinsam üben, wie Mikail und ich. Aber das Talent dafür ist rar, und ein Meister-Akheli wie Ruslan teilt seine Kräfte nicht freigebig.« Er klang verbittert.
Ich lehnte mich gegen die Höhlenwand. Ruslan schien dem Roten Dal recht ähnlich zu sein, denn der hielt seine Kinder auch für seinen Besitz. Wenn aber ein Behafteter bei der Arbeit ums Leben kam oder wegrannte, konnte der Rote Dal sich jederzeit ein neues Kind kaufen oder stehlen. Jedes in Ninavel geborene Kind ist wenigstens ein bisschen behaftet, wenn die meisten es auch kaum wahrnehmen. Eins von hundert ist vielleicht so stark behaftet, dass es nützlich ist. Aber ein zum Magier geborenes Kind, das stark genug begabt ist, dass sich ein Blutmagier für es interessiert, muss äußerst schwer zu bekommen sein. Ein Behafteter braucht nur ein, zwei Monate lang zu lernen, Kiran dagegen war offenbar jahrelang in die Lehre gegangen. Da leuchtete es ein, dass Ruslan so wütend war und auch so entschlossen, seinen Lehrling wiederzubekommen. Ich konnte auch verstehen – wie ich zähneknirschend zugeben musste –, warum Kiran so verzweifelt von Ruslan weg
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