Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
skeptisch an. »Du denn?«
»Ja. Aber nicht gut. Verlass dich also nicht auf eine schnelle Rettung, falls du reinfällst.« Ich führte ihn durch die Bäume oberhalb der Böschung und hielt nach einer geeigneten Stelle Ausschau, wo genügend Felsblöcke aus dem Wasser ragten.
»Wie hast du …«
»Ein Vorreiter hat es mir beigebracht, in einem Bergsee.« Das erklärte, warum ich kein guter Schwimmer war. Selbst im Hochsommer waren die Seen im Weißfeuergebirge so kalt, dass einem nach Augenblicken das Blut gefror. Sethan beharrte jedoch darauf, ein Vorreiter müsse unbedingt schwimmen können, aber ich wollte in dem eisigen Wasser keinen Moment länger bleiben als unbedingt nötig.
Ich sprang von der Böschung auf einen runden Felsen, der aus dem Fluss ragte. Darunter wirbelte und schäumte das Wasser über ein Feld spitzer Steine hinweg.
»Hier können wir ihn überqueren«, sagte ich zu Kiran. »Ich gehe als Erster und trage deinen Rucksack. Sobald ich drüben bin, gebe ich dir Bescheid, ob kippelige Steine dazwischen sind. Sie werden auf jeden Fall glitschig sein. Beweg dich also langsam und achte auf Trittfestigkeit. Wenn du ausrutschst und fällst, versuche, nicht in Panik zu geraten. Dreh dich auf den Rücken und halte die Füße stromabwärts. Besser, du stößt mit den Zehen als mit dem Kopf an. Der Fluss schwemmt dich irgendwann in einen Strudel, und da bekomme ich dich zu fassen.«
»Können wir denn nicht das Seil benutzen?« Kiran beäugte ängstlich den Fluss.
»Wenn du angeleint bist und reinfällst, würde dich die Strömung unter Wasser drücken, und das Seil könnte sich an den Felsen verfangen. Du würdest ertrinken, bevor ich dich ans Ufer gezogen hätte. Ich kann auch keine Handleine ziehen, weil der Weg zu sehr im Zickzack verläuft und die Strömung zu reißend ist, als dass man einen Ast ins Flussbett rammen könnte.«
Krampfhaft hielt er die Riemen seines Rucksacks umklammert. Es war Zeit, den zuversichtlichen Betreuer zu spielen. »Schau, beim Abseilen und Klettern hast du dich gut geschlagen, und das hier ist viel einfacher. Hier brauchst du nicht zu überlegen, wohin du den Fuß setzen musst. Beweg dich nurschön langsam, dann bist du im Nu unbeschadet am anderen Ufer.«
Ich war schnell drüben. Nur ein Stein war gefährlich glitschig, weil mit Moos überzogen. Ich machte Kiran darauf aufmerksam und winkte ihm, nachzukommen. Konzentriert, die Arme balancierend ausgebreitet, sprang er von Stein zu Stein. Als er auf dem bemoosten landete, rutschte ihm ein Fuß weg, doch er fing sich gut ab und sprang zum nächsten. Er war nur noch zwei Steine entfernt, als er innehielt und den Kopf neigte, als lauschte er.
Ich rief ihn an, aber er reagierte nicht. Stattdessen zuckte er und verdrehte die Augen nach oben.
Scheiße! Das hatte ich gestern schon bei ihm beobachtet. Ich sprang auf den nächsten Stein. Kiran kippte bereits um. Nach einem hektischen Sprung bekam ich ihn am Ärmel zu fassen und zog ihn zu mir. Er fiel halb auf mich, halb ins Wasser. Die Strömung riss ihn beinahe mit, aber mit einem Schrei warf ich mich nach hinten und gemeinsam purzelten wir auf den Uferstreifen.
Ich schob Kiran von mir runter und fasste mir an die schmerzende Seite. Ich musste mir einen Muskel gezerrt haben. Verflixt und zugenäht, das hatte mir gerade noch gefehlt. Behutsam stand ich auf. Eine Zerrung und ein paar Blutergüsse. Das war noch glimpflich abgegangen.
Keuchend stemmte sich Kiran auf die Knie. Links war er triefend nass.
»Wie war das noch: machtvolle Zauber brauchen Zeit?« Ich warf ihm eine Decke zu. »Trockne dich ab und binde die nassen Klamotten außen an den Rucksack. Die Sonne wird sie unterwegs trocknen.«
Kiran fasste sich mit zitternden Händen an die Schläfen. Er wirkte benommen. »Ruslan kann nicht so schnell einen gezielten Zauber vorbereitet haben. Er muss etwas Allgemeines …«Der Satz verebbte in Nachdenklichkeit. Ich wartete, doch Kiran zog sich die Jacke aus, ohne noch ein Wort zu äußern.
»Bei Khalmets blutiger Hand! Komm mir jetzt nicht maulfaul! Mit was für einem Zauber hat er dich angegriffen?« Was immer Ruslan getan hatte, wir würden es sicher bald beklagen.
»Das weiß ich nicht«, schnauzte er. »Durch meine Barriere spüre ich gar nichts!« Er machte eine wütende Armbewegung.
»Na schön, du kannst es also nicht so genau sagen. Aber wenigstens eine Vermutung anstellen?«
Er fasste um den Deckensaum und dachte nach, dann sagte er bedächtig: »Die
Weitere Kostenlose Bücher